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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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nichts. Hoffen wir, daß er wieder bei seinen Leuten auf dem Land ist, wie Reeves gesagt hat. Und daß er dort bleibt. Vielleicht wollen sie nichts mehr von ihm.« Er stand auf. »Jonathan, du mußt heute abend nach Hause und dich Simone stellen.«
    »Ich weiß.« Doch es hatte ihm gutgetan, Tom zu treffen. Tom war realistisch, selbst was Simone betraf. »Komisch, die Mafia ist gar nicht mehr das Problem, sondern Simone. Für mich jedenfalls.«
    Tom wußte, was er meinte. »Wenn du willst, komme ich mit und rede noch mal mit ihr.«
    Jonathan zuckte die Achseln. Er war rastlos, stand auf, warf einen Blick auf den Derwatt über dem Kamin. Mann im Sessel hieß er, hatte Tom gesagt. Das Bild erinnerte ihn an Reeves Minots Wohnung, an einen anderen Derwatt über einem anderen Kamin, den es nun vielleicht nicht mehr gab. »Ich glaube, heute nacht werde ich auf dem Sofa schlafen, was auch passiert«, sagte er.
    Tom wollte das Radio einschalten, obwohl er um diese Zeit nicht einmal die italienischen Nachrichten empfangen konnte. »Was meinst du? Mehr als mich rauswerfen kann sie ja nicht. Es sei denn, ich mache es schlimmer für dich, wenn ich dabei bin.«
    [354]  »Schlimmer kann es nicht werden. Okay, ich möchte, daß du mitkommst. Aber was sollen wir sagen?«
    Tom steckte die Hände in die Taschen seiner alten, grauen Flanellhose. Rechts trug er die kleine italienische Pistole, die Jonathan im Zug bei sich gehabt hatte. Seit Samstag schlief Tom mit der Waffe unter dem Kopfkissen. Ja, was sollten sie sagen? Sonst verließ er sich immer auf das, was ihm spontan einfiel, aber hatte er bei Simone nicht sein Pulver schon verschossen? Mit welchem brillanten Einfall, mit welcher Facette des Problems konnte er noch aufwarten, um sie zu blenden und zu täuschen und sie dazu zu bringen, die Dinge so zu sehen wie sie beide? »Wir können nur eines tun«, sagte er nachdenklich. »Nämlich versuchen, sie zu überzeugen, daß die Gefahr jetzt vorüber ist. Keine leichte Aufgabe, zugegeben. Schließlich lassen sich die Leichen nicht wegreden. Doch weißt du, ihr Problem ist vor allem einfach Angst.«
    »Na gut, aber ist die Gefahr denn vorüber?« fragte Jonathan. »Sicher können wir nicht sein, oder? Schließlich ist da noch Reeves, nicht?«

[355]  23
    Um zehn waren sie in Fontainebleau. Jonathan ging voran, nahm die Stufen zur Haustür und klopfte. Dann steckte er den Schlüssel ins Schloß, doch die Tür war von innen verriegelt.
    »Wer ist da?« rief Simone.
    »Jon.«
    Sie schob den Riegel zurück. »O Jon, ich hatte mir schon Sorgen gemacht!«
    Das klang hoffnungsvoll, fand Tom.
    Im nächsten Augenblick sah sie ihn, und ihr Gesicht versteinerte.
    »Ja, Tom ist bei mir. Können wir hereinkommen?«
    Eigentlich wollte sie nein sagen, wich dann aber steif einen kleinen Schritt zurück. Jonathan und Tom traten ein.
    »Guten Abend, Madame«, sagte Tom.
    Im Wohnzimmer lief der Fernseher, auf dem schwarzen Ledersofa lag ein Mantel, dessen Futter sie offenbar flickte, und auf dem Boden saß Georges mit einem Spielzeuglaster: ein Bild häuslichen Friedens, dachte Tom. Er begrüßte den Jungen.
    »Setz dich doch, Tom«, sagte Jonathan.
    Das tat er nicht, weil auch Simone stehen blieb.
    »Und warum dieser Besuch?« fragte sie Tom.
    [356]  »Madame, ich – ich bin gekommen«, stotterte Tom, »weil ich alle Schuld auf mich nehmen will. Und weil ich Sie überzeugen will, wenn ich kann, doch etwas nachsichtiger mit Ihrem Mann zu sein.«
    »Sie sagen also, daß mein Mann –« Plötzlich fiel ihr Georges ein. Verärgert und nervös nahm sie den Jungen bei der Hand. »Georges, du mußt auf dein Zimmer gehen. Hast du gehört? Bitte, mein Schatz.«
    Georges blieb in der Tür stehen, sah sich um, ging widerwillig hinaus in den Flur und stieg die Treppe hinauf.
    »Dépêche-toi!« rief Simone ihm nach und zog die Wohnzimmertür zu. »Sie sagen also«, wiederholte sie, »daß mein Mann von diesen… diesen Vorkommnissen nichts gewußt hat, daß er da nur hineingestolpert ist. Und daß dieses schmutzige Geld aus einer Wette unter Ärzten stammt!«
    Tom holte tief Luft. »Madame, die Schuld liegt bei mir. Vielleicht hat Jon einen Fehler gemacht, als er mir half. Aber können Sie ihm das nicht verzeihen? Er ist doch Ihr Mann –«
    »Er ist jetzt ein Verbrecher. Dank Ihres charmanten Einflusses, das kann schon sein, aber so ist es nun mal. Oder?«
    Jonathan sank in den Sessel.
    Tom setzte sich ans Ende des Sofas und beschloß, dort sitzen zu

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