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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Wisters Schuld. Er erkannte, daß er schon mit der Idee spielte, für Wister jemanden zu töten – das heißt nicht für Wister, sondern für das Geld. Und zwar ein Mitglied der Mafia. Das waren doch selbst allesamt Verbrecher, oder etwa nicht? Natürlich könnte er Wister immer noch das Geld für Hin- und Rückflug wiedergeben. Das Problem war nur, daß er im Moment die nötige Summe nicht abheben konnte, weil nicht genug auf dem Konto war. Wenn er wirklich Gewißheit über seinen Zustand wollte, dann würde er sie in Deutschland (oder der Schweiz) finden. Dort hatten sie immer noch die besten Ärzte der Welt, oder? (Jonathan legte die Geschäftskarte des Papierlieferanten neben sein Telefon, damit er nicht [77]  vergaß, morgen in Melun anzurufen; auch diese Firma war heute geschlossen.) Und wer weiß, vielleicht war Wisters Plan ja praktikabel. Für einen Augenblick sah sich Jonathan nach einem Kreuzfeuer der deutschen Polizei, die ihn sofort nach dem Schuß auf den Italiener gestellt hatte, zerfetzt am Boden liegen. Doch auch bei seinem Tod würden Simone und Georges die vierzigtausend bekommen. – Jonathan riß sich in die Wirklichkeit zurück: Nein, er würde niemanden umbringen. Aber die Reise nach Hamburg, das könnte nett werden, mal was anderes, auch falls er dort schlimme Neuigkeiten erfahren sollte. Zumindest wären das handfeste Tatsachen. Und wenn Wister jetzt für ihn auslegte, konnte er ihm den Flugpreis binnen drei Monaten zurückzahlen, wenn er sich das Geld vom Mund absparte, keine neuen Sachen kaufte und auch auf das gelegentliche Bier in der Bar verzichtete. Allerdings hatte er Angst, Simone davon zu erzählen, obwohl sie natürlich nichts dagegen hätte, da es darum ging, einen neuen, anscheinend hervorragenden Arzt aufzusuchen. Er würde sich das Geld aus der eigenen Tasche absparen.
    Gegen elf meldete Jonathan ein Gespräch mit Wister in Hamburg an, aber auf eigene Rechnung, nicht als R-Gespräch. Drei, vier Minuten später klingelte es bei ihm, und er hatte eine klare Verbindung, viel besser als zumeist nach Paris.
    »Ja? Hier Wister.« Dieselbe hohe, angespannte Stimme.
    »Heute morgen hab ich Ihren Brief bekommen«, begann Jonathan. »Sie schreiben, daß ich nach Hamburg kommen soll…«
    »Ja, warum nicht?« sagte Wister leichthin.
    [78]  »Ich meine, das mit dem Termin beim Spezialisten…«
    »Ich weise Ihnen das Geld sofort telegraphisch an. Sie können es sich auf der Post in Fontainebleau abholen. In ein paar Stunden sollte es da sein.«
    »Das – das ist sehr freundlich von Ihnen. Wenn ich in Hamburg bin…«
    »Können Sie heute noch kommen? Heute abend? Sie könnten bei mir schlafen.«
    »Heute? Ich weiß nicht. Andererseits, warum nicht?«
    »Rufen Sie wieder an, wenn Sie den Flugschein haben, damit ich weiß, wann Sie ankommen. Ich bin den ganzen Tag zu Hause.«
    Als Jonathan auflegte, schlug sein Herz schneller.
    Mittags zu Hause ging er ins Schlafzimmer hinauf. War sein Koffer griffbereit? Da lag er, oben auf dem Schrank, seit ihrem letzten Urlaub in Arles, fast ein Jahr war das jetzt her.
    Er sagte zu Simone: »Schatz, eine wichtige Sache: Ich habe beschlossen, einen Facharzt in Hamburg aufzusuchen.«
    »Ach ja? Ist das Perriers Idee?«
    »Na ja, eigentlich nicht. Eher meine. Ich möchte hören, was ein deutscher Arzt dazu sagt. Ich weiß, daß es Geld kostet.«
    »Ach, Jon, vergiß das Geld! Hast du heute morgen etwas Neues gehört? Denn der Laborbericht kommt doch erst morgen, oder?«
    »Ja. Aber die sagen doch immer das gleiche, chérie. Ich möchte eine andere Meinung einholen.«
    »Wann willst du fahren?«
    [79]  »Bald. Noch diese Woche.«
    Kurz vor fünf betrat Jonathan das Postamt von Fontainebleau. Das Geld war eingetroffen, Jonathan zeigte seine carte d’identité und bekam sechshundert Franc ausbezahlt. Er ging ein paar Straßen weiter zum Syndicat d’Initiatives an der Place Franklin Roosevelt und buchte einen Flug nach Hamburg auf einer Maschine, die noch am selben Abend um 21   :   25   Uhr ging. Er würde sich beeilen müssen, was ihm ganz recht war, denn damit war jedes Grübeln und Zögern ausgeschlossen. Jonathan ging zu seinem Laden zurück und rief Hamburg an, diesmal mit R-Gespräch.
    Wieder war Wister am Apparat. »Ah, sehr gut. Um fünf vor zwölf also. Nehmen Sie den Flughafenbus bis zur Endstation in der Stadt, ja? Ich hole Sie dort ab.«
    Danach rief Jonathan noch bei einem Kunden an, der ein wichtiges Bild abholen wollte: er habe Dienstag

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