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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Eltern [137]  hatten sich zum Wochenende für zwei Nächte angesagt, Freitag und Samstag, was das ganze Haus in helle Aufregung versetzte. Madame Annette machte sich, völlig zu Unrecht, Sorgen wegen des Menüs, genauer, um die Qualität der frischen moules für Freitag abend. Nachdem sie das Gästezimmer perfekt hergerichtet hatte, trug Héloïse ihr auf, die Bettwäsche wie auch die Handtücher im Bad zu wechseln, weil sie alle Toms Monogramm trugen, TPR , nicht das der Familie Plissot. Die Plissots hatten den Ripleys zur Hochzeit aus dem Familienbestand zwei Dutzend prächtiger Laken aus schwerem reinen Leinen geschenkt, alte Erbstücke, und Héloïse hielt es für höflich und taktisch klug, sie bei Besuchen ihrer Eltern aufzuziehen. Daran hatte Madame Annette diesmal nicht gedacht, wofür sie aber keineswegs getadelt wurde, weder von Héloïse noch von Tom. Das Wechseln der Bettwäsche hatte außerdem damit zu tun, daß Héloïse ihre Eltern, wenn sie ins Bett gingen, nicht durch Toms Monogramm an die Ehe mit ihm erinnern wollte. Die Plissots waren nörgelnde Spießer, was noch dadurch verschlimmert wurde, daß Arlène Plissot, eine schlanke, immer noch attraktive Frau in den Fünfzigern, angestrengt versuchte, sich zwanglos zu geben, der Jugend gegenüber aufgeschlossen zu sein, und so weiter. Was sie schlicht nicht war. Für Tom wurde das Wochenende eine einzige Quälerei: Herrgott noch mal, wenn Belle Ombre nicht gut geführt sein sollte, welches Haus dann? Das silberne Teeservice (noch ein Hochzeitsgeschenk der Plissots) wurde von Madame Annette stets auf Hochglanz poliert. Selbst das Vogelhäuschen im Garten wurde täglich ausgefegt, wie ein Gästehaus en miniature, [138]  das zum Anwesen gehörte. Jedes Stückchen Holz im Haus glänzte und roch angenehm nach dem Lavendel-Duftwachs, das Tom aus England mitbrachte. Und dennoch: Als Arlène in einem lila Hosenanzug ausgestreckt auf dem Bärenfell vor dem Kamin lag und sich die bloßen Füße wärmte, hatte sie verkündet: »Für solche Böden reicht Bohnerwachs nicht, Héloïse. Die muß man ab und zu mit Leinöl und Spiritus behandeln, und zwar angewärmt, damit es besser einzieht.«
    Kaum waren die Plissots am Sonntag nachmittag nach dem Tee wieder gefahren, riß sich Héloïse ihre Matrosenbluse vom Leib und warf sie gegen die Flügeltür: ein häßliches Knacken, wegen der schweren Brosche an der Bluse, doch das Glas hielt.
    »Champagner!« rief sie. Tom lief in den Keller hinunter und holte eine Flasche. Sie tranken Champagner, obwohl das Teegeschirr noch nicht abgeräumt war (Madame Annette legte gerade ausnahmsweise einmal die Füße hoch). Dann klingelte das Telefon.
    Reeves Minot klang niedergeschlagen. »Bin in Orly, fliege gleich nach Hamburg zurück. Habe mich heute in Paris mit unserem gemeinsamen Freund getroffen, und er hat nein gesagt zum nächsten – Sie wissen schon, zur nächsten Sache. Die muß aber sein, das weiß ich. Hab ich ihm auch erklärt.«
    »Haben Sie ihn schon bezahlt?« Tom sah zu, wie Héloïse mit dem Champagnerglas in der Hand herumtanzte. Sie summte den großen Walzer aus dem Rosenkavalier.
    »Ja, rund ein Drittel, das ist nicht schlecht, finde ich. Hab es für ihn in die Schweiz überwiesen.«
    [139]  Tom meinte sich zu erinnern, Minot hätte fast fünfhunderttausend Franc versprochen. Ein Drittel war nicht gerade großzügig, aber wohl durchaus angemessen. »Sie meinen, er soll noch jemanden erschießen.«
    Héloïse drehte sich singend im Kreise: »La-di-da, la-di-di…«
    »Nein.« Reeves versagte die Stimme. Leise fuhr er fort: »Eine Garrotte muß es sein. In einem Zug. Ich glaube, das ist der Haken.«
    Tom war entsetzt: Selbstverständlich würde Trevanny sich weigern. »Muß es im Zug sein?«
    »Ich habe da einen Plan…«
    Reeves hatte immer einen Plan. Höflich hörte Tom zu. Was Reeves vorschwebte, schien ihm gefährlich, der Ausgang ungewiß. Er unterbrach ihn: »Vielleicht hat unser Freund jetzt einfach genug.«
    »Nein, ich glaube, er ist interessiert. Aber er will nicht nach München kommen, und die Sache muß nächstes Wochenende über die Bühne gehen.«
    »Sie haben wieder den Paten gelesen, Reeves. Lassen Sie sich was anderes einfallen, etwas mit einer Kanone.«
    »Zu laut«, erwiderte Reeves ohne einen Funken Humor. »Ich weiß auch nicht… Entweder finde ich wen anders, Tom, oder jemand muß Jonathan überreden.«
    Unmöglich, dachte Tom und sagte ungeduldig: »Geld ist immer das überzeugendste

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