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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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ich hab dich eben erst gefunden. Wie fühlst du dich? – Nein, Georges, alles in Ordnung. Papa geht es gut!« Aber sie klang verängstigt.
    Jonathan ließ den Kopf wieder auf den Teppich sinken.
    »Wasser?«
    Sie hielt das Glas, er trank mit Mühe einen kleinen Schluck und sank zurück. »Ich werde wohl den ganzen Nachmittag hier liegenbleiben.« Seine Stimme kämpfte gegen das Dröhnen in seinen Ohren an.
    »Warte, ich ziehe dir das gerade.« Simone glättete sein Jackett, das sich unter ihm verknautscht hatte.
    Dabei glitt etwas aus der Tasche. Simone hob es auf, sah ihn besorgt an. Er starrte zur Decke hinauf, denn wenn er die Augen schloß, war es noch schlimmer. Minuten vergingen, Minuten des Schweigens. Angst hatte er keine; er wußte, er würde nicht sterben. Das war noch nicht der Tod, nur eine Ohnmacht, ein Vetter des Todes vielleicht. Der Tod aber würde anders daherkommen, als süßer, verführerischer Sog, wie von einer zurückflutenden Woge, die mit aller Macht an dem Schwimmer zog, der sich zu weit hinausgewagt hatte und nun nicht mehr dagegen ankämpfen wollte. Simone ging, nahm Georges mit hinaus, kam dann mit einer Tasse Tee zurück.
    »Heiß mit viel Zucker. Wird dir guttun. Soll ich Doktor Perrier anrufen?«
    »Nein, nein, Schatz. Vielen Dank.« Jonathan setzte sich auf, nippte ein paarmal am Tee und schleppte sich dann zum Sofa hinüber.
    »Jon, was ist das?« Simone hielt ein kleines blaues Heft in die Höhe, das Bankbuch seines Schweizer Kontos.
    [239]  »Ach, das…« Er schüttelte den Kopf, um ihn klar zu bekommen.
    »Das ist ein Kontobuch, oder nicht?«
    »Ja… Ja, das stimmt.« Über eine sechsstellige Summe, mehr als vierhunderttausend Franc, wie das kleine f hinter den Zahlen verriet. Er wußte, daß Simone ganz arglos hineingeschaut hatte, sicher in der Annahme, es sei eine Art Haushaltsbuch über gemeinsame Anschaffungen.
    »Das sind Franc. Französische Franc? Woher hast du das? Was ist das, Jon?«
    Es waren französische Franc. »Schatz, das ist eine Art Vorschuß, von den deutschen Ärzten.«
    »Aber…« Simone schien ratlos. »Das sind doch französische Franc, nicht? Und dann eine solche Summe!« Sie lachte, ein kleines, verunsichertes Lachen.
    Das Blut schoß ihm ins Gesicht. »Ich hab dir erzählt, woher es kommt, Simone. Daß es ziemlich viel Geld ist, weiß ich natürlich. Ich wollt’s dir nicht gleich sagen, weil…«
    Simone legte das kleine blaue Büchlein behutsam auf seine Brieftasche auf dem niedrigen Couchtisch, zog sich den Stuhl vom Schreibtisch heran, setzte sich seitwärts darauf und legte einen Arm um die Lehne. »Jon –«
    Plötzlich stand Georges in der Flurtür. Simone sprang entschlossen auf und nahm ihn bei den Schultern. » Chou-chou, Papa und ich unterhalten uns gerade. Laß uns ein Weilchen allein.« Sie kam zurück und sagte leise: »Jon, ich glaube dir nicht.«
    Er hörte das Zittern in ihrer Stimme: Nicht nur die Höhe der Summe erschreckte sie, auch seine zunehmende [240]  Verschlossenheit in letzter Zeit, seine Reisen nach Deutschland. »Tja, das wirst du aber müssen«, sagte Jonathan. Langsam kam er wieder zu Kräften. Er stand auf. »Das ist ein Vorschuß. Sie glauben nicht, daß ich es noch ausgeben kann. Ich werde die Zeit nicht haben. Du aber.«
    Simone lachte nicht. »Da steht dein Name drin. Jon – was es auch ist, das du da tust, du sagst mir nicht die Wahrheit.« Und sie wartete einige Sekunden lang, genau die Zeit, in der er ihr hätte die Wahrheit sagen können. Er jedoch sagte nichts.
    Sie verließ das Zimmer.
    Das Mittagessen war eine reine Pflichtübung. Sie sprachen kaum ein Wort. Georges war sichtlich verwirrt. Jonathan konnte sich vorstellen, wie die nächsten Tage werden würden: Simone, die vielleicht gar keine Fragen mehr stellte, nur kühl darauf wartend, daß er die Wahrheit sagte oder irgendeine Erklärung fand. Die langen Stunden des Schweigens im Haus. Kein Lieben mehr, keine Liebe, kein Lachen. Er mußte sich etwas anderes ausdenken, etwas Besseres. Aber selbst wenn er behauptete, die Therapie der deutschen Ärzte sei lebensgefährlich: Ließe sich damit logisch begründen, daß sie ihm so viel zahlten? Wohl kaum. Jonathan begriff, daß sein Leben nicht so viel wert war wie die Leben zweier Mafiamänner zusammen.

[241]  16
    Freitag, ein wunderschöner Morgen, Schauer und Sonnenschein im halbstündigen Wechsel. Gerade richtig für den Garten, fand Tom. Héloïse war nach Paris gefahren, weil eine Boutique am Faubourg

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