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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Bankbuch entdeckt, er hatte ihr gesagt, das Geld sei ein Vorschuß von den deutschen Ärzten. Die Einnahme ihrer Medikamente sei für ihn nicht ungefährlich, sie zahlten mit dem Geld sozusagen für sein Leben.
    »Aber sie glaubt mir nicht.« Jonathan lächelte. »Sie vermutet sogar, ich hätte mich in Deutschland als jemand anderes ausgegeben, damit eine Gaunerbande an eine Erbschaft herankommt oder so ähnlich. Das Geld wäre mein Anteil. Oder ich hätte für jemanden vor Gericht falsch ausgesagt.« Er lachte auf. Jonathan mußte fast anschreien gegen den Lärm, doch um sie herum hörte bestimmt keiner zu, und falls doch, würde er nichts verstehen. Hinter der Theke hatten drei Männer alle Hände voll damit zu tun, Pernod und Rotwein auszuschenken und Bier zu zapfen.
    »Das leuchtet mir ein.« Tom warf einen Blick auf das lärmende Treiben ringsum. Der Anruf vom Vormittag machte ihm immer noch Sorgen, auch wenn es bis jetzt der einzige geblieben war. Als er um sechs Uhr losfuhr, hatte er vor Belle Ombre und in Villeperce nach fremden Gestalten Ausschau gehalten. Merkwürdig, wie man im Dorf [245]  schließlich jeden an der Gestalt erkannte, selbst aus der Entfernung; ein Fremder würde sofort auffallen. Für einen Moment hatte Tom tatsächlich Angst gehabt, als er den Motor des Renault anließ. Dynamit mit der Zündung zu verbinden war ein beliebter Mafiatrick. »Wir müssen uns etwas einfallen lassen«, sagte er laut und nachdrücklich.
    Jonathan nickte und stürzte sein Bier hinunter. »Komisch, sie hat mir fast alles zugetraut, nur keinen Mord.«
    Tom stellte einen Fuß auf die Thekenstange und versuchte, in dem Lärm klar zu denken. Sein Blick fiel auf Jonathans alte Cordjacke, die an einer Tasche eingerissen war. Jemand hatte die Stelle sorgfältig ausgebessert, sicher Simone. In einem Anfall von Verzweiflung sagte er: »Und was spricht dagegen, ihr die Wahrheit zu sagen? Schließlich sind diese Mafiosi, diese morpions, doch –«
    Jonathan schüttelte den Kopf. »Daran hab ich auch schon gedacht. Simone ist Katholikin. So etwas…« Für Simone bedeutete es schon ein Zugeständnis, regelmäßig die Pille zu nehmen. Wie Jonathan es sah, zogen sich Katholiken nur langsam von Positionen zurück, um den Eindruck einer heillosen Flucht zu vermeiden, gaben allerdings hier und dort nach. Georges wurde katholisch erzogen, was in Frankreich unvermeidlich war, doch versuchte Jonathan seinem Sohn die Augen dafür zu öffnen, daß es auch noch andere Religionen auf der Welt gab, und ihm begreiflich zu machen, daß er sich in ein paar Jahren frei würde entscheiden können. Simone hatte ihn bei diesen Bemühungen bislang gewähren lassen. »Sie sieht das ganz anders«, rief er. Allmählich gewöhnte er sich an den Lärm, der ihm als Schutzwall nicht einmal mehr unangenehm war. »Es wäre [246]  wirklich ein Schock für sie. Wissen Sie, so etwas würde sie mir niemals verzeihen. Menschliches Leben und so weiter.«
    »Menschlich? Ha, ha!«
    »Die Sache ist die«, fuhr Jonathan fort, nun wieder ernst. »Mir kommt’s fast so vor, als würde meine ganze Ehe daran hängen. Auf dem Spiel stehen, meine ich.« Er sah Tom an, der ihm zu folgen versuchte. »Ein verdammt schlechter Ort für ein ernstes Gespräch«, sagte Tom. Entschlossen begann Jonathan noch einmal: »Zwischen uns ist es nicht mehr wie früher, gelinde gesagt. Und ich weiß nicht, wie es wieder besser werden soll. Ich hatte einfach gehofft, Sie hätten vielleicht eine Idee, was ich tun oder sagen könnte. Andererseits, warum sollten Sie? Ist schließlich mein Problem.«
    Vielleicht suchten sie sich besser eine ruhigere Bar, dachte Tom, oder sie setzten sich in seinen Wagen. Aber würde er an einem ruhigeren Ort besser denken können? »Ich will versuchen, mir was einfallen zu lassen!« schrie er. Wieso nahmen nur alle anderen, selbst Jonathan, immerzu an, ihm werde schon etwas für sie einfallen? Dabei fiel es ihm schwer genug, einen Kurs für sich selbst abzustecken. Nicht selten brauchte er Einfälle für sein eigenes Wohlergehen, Eingebungen, die ihm manchmal unter der Dusche oder bei der Gartenarbeit kamen, jene Geschenke der Götter, die erst eintrafen, wenn er besorgt über dem Problem gegrübelt hatte. Ein einzelner war geistig gar nicht in der Lage, die Probleme eines anderen anzugehen und für sie ebenso gute Lösungen zu finden. Dann dachte er daran, daß sein eigenes Wohlergehen ja mit Jonathans Schicksal [247]  eng verbunden war: Wenn also Jonathan

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