Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
kleines château mit seinen klassischen Linien, deren Strenge von vier runden, bis zum Rasen hinabreichenden Erkertürmchen gemildert wurde. Tom stieg aus und öffnete das eiserne Tor mit einem mächtigen Schlüssel, den er dem Handschuhfach entnommen hatte. Dann rollte der Wagen auf den Kies vor der Garage.
»Was für ein schönes Haus«, sagte Jonathan.
Tom nickte lächelnd. »Im Grunde ein Hochzeitsgeschenk meiner Schwiegereltern. In letzter Zeit freue ich mich jedesmal, wenn ich ankomme und sehe, daß es noch steht. Bitte, treten Sie ein.«
Er zog auch einen Schlüssel für die Haustür hervor.
»Bin nicht daran gewöhnt abzuschließen«, sagte er. »Sonst ist meine Haushälterin da.«
Jonathan folgte ihm durch eine geräumige Diele mit weißen Marmorfliesen in das quadratische Wohnzimmer: zwei Teppiche, ein großer Kamin, ein einladendes, mit gelbem Satin bezogenes Sofa. Und ein Cembalo vor der [275] Flügeltür zum Garten. Die Möbel waren alle hochwertig und gut gepflegt.
»Legen Sie doch ab«, sagte Tom, vorerst erleichtert, denn im Haus war alles ruhig, und im Dorf hatte er nichts Ungewöhnliches bemerkt. Er ging zum Tisch in der Diele und nahm die Luger aus der Schublade. Jonathan sah ihm zu. Tom mußte lächeln: »Dieses Ding werde ich den ganzen Tag bei mir tragen, daher die alten Hosen. Große Taschen. Ich kann verstehen, warum manche Leute Schulterhalfter vorziehen.« Er steckte die Waffe in die Hosentasche. »Sie auch, wenn’s Ihnen nichts ausmacht.«
Jonathan steckte seine Pistole ein.
Tom fiel das Gewehr oben in seinem Zimmer ein. Er kam nur ungern so schnell zur Sache, aber vielleicht war es besser so. »Kommen Sie! Ich will Ihnen etwas zeigen.«
Er führte ihn die Treppe hinauf in das Zimmer. Jonathan fiel sofort die commode de bateau auf und ging zu ihr, um sie näher zu betrachten.
»Hat meine Frau mir neulich geschenkt. – Schauen Sie, hier…« Tom hielt das Gewehr in den Händen. »Für große Schußweiten. Nicht schlecht, aber natürlich nicht so zielgenau wie ein Armeegewehr. Werfen Sie mal einen Blick durch das Fenster zur Straße.«
Jonathan sah hinaus. Gegenüber, ein gutes Stück abseits der Straße, stand ein zweistöckiges Haus aus dem neunzehnten Jahrhundert, halb von Bäumen verdeckt, die in unregelmäßigen Abständen beiderseits die Straße säumten. Jonathan stellte sich vor, wie ein Wagen auf der Straße vor der Toreinfahrt hielt: Genau das meinte Tom; dann wäre das Gewehr zielsicherer als die Pistole.
[276] »Kommt natürlich darauf an, was die machen«, sagte Tom. »Wenn sie zum Beispiel eine Brandbombe werfen wollen, ist das Gewehr genau richtig. Dann wären da noch die Fenster nach hinten und zur Seite. Folgen Sie mir.«
Tom führte Jonathan in Héloïse’ Zimmer, dessen Fenster auf den Rasen hinter dem Haus ging. Jenseits davon standen die Bäume dichter, zur Rechten säumten Pappeln den Rasen.
»Durch den Wald dort führt ein Weg. Links können Sie ihn gerade noch erkennen. Und von meinem Atelier aus…«
Tom ging den Flur entlang und öffnete eine Tür zu seiner Linken. In diesem Zimmer gingen die Fenster auf den Rasen und auf das Dorf Villeperce, von dem aber nur Zypressen, Pappeln und die Dachziegel eines kleinen Hauses zu sehen waren. »Vielleicht halten wir am besten vorn und hinten Wache. Wir müssen ja nicht an der Fensterscheibe kleben, aber… Noch etwas Wichtiges: Der Feind soll denken, ich wäre allein zu Hause. Wenn Sie –«
Das Telefon klingelte. Tom wollte zuerst nicht abheben, dachte dann aber, er könnte vielleicht etwas in Erfahrung bringen. Er hob in seinem Zimmer ab.
»Oui?«
»Monsieur Ripley?« Eine französische Frauenstimme. » Ici Madame Trevanny. Ist mein Mann zufällig bei Ihnen?«
Sie klang sehr angespannt.
»Ihr Mann? Mais non, Madame!« Tom legte Erstaunen in seine Stimme.
»Merci, M’sieur. Excusez-moi.« Sie hängte auf.
Tom seufzte. Der Mann hatte wirklich Probleme.
Jonathan stand in der Tür: »Meine Frau?«
[277] »Ja. Tut mir leid. Ich sagte, Sie wären nicht hier. Wenn Sie wollen, schicken Sie ihr ein Telegramm. Oder rufen Sie an. Vielleicht ist sie in Ihrem Laden.«
»Nein, nein, das glaube ich kaum.« Doch möglich war es, denn sie hatte einen Schlüssel. Es war erst Viertel nach eins. Woher sollte sie diese Nummer haben, wenn nicht von dem Notizzettel im Geschäft?
»Wenn Sie wollen, fahre ich Sie auch gleich wieder nach Fontainebleau zurück. Es liegt bei Ihnen, Jonathan.«
»Nein, danke«,
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