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Riptide - Mörderische Flut

Riptide - Mörderische Flut

Titel: Riptide - Mörderische Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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die noch genauso säuberlich aufeinander standen, wie er und Johnny sie auf Geheiß ihrer Mutter hatten hinstellen müssen.
    Hatch ging hinüber zu dem. Kleiderschrank und versuchte, ihn zur Seite zu schieben, aber er ließ sich nur wenige Zentimeter bewegen. Er trat einen Schritt zurück, um das kopflastige Überbleibsel aus viktorianischer Zeit zu betrachten, das ebenso massiv wie häßlich war. Dann stemmte er sich mit der Schulter dagegen und drückte mit aller Kraft, so daß der Schrank zwar eine bedenkliche Schieflage bekam, sich aber auf dem rauhen Boden nicht einen Millimeter verrücken ließ. Dafür, daß das Holz fast hundert Jahre Zeit gehabt hatte, um morsch zu werden, war der Schrank immer noch verdammt schwer. Hatch vermutete, daß noch etwas drinnen war und wischte sich seufzend den Schweiß von der Stirn.
    Die Türen des Schrankes waren nicht abgesperrt und Hatch sah, daß sein modrig riechendes Inneres leer war. Als nächstes zog Hatch die Schubladen unter den Türen auf, in denen lediglich ein altes T-Shirt mit Led-Zeppelin-Logo lag. Hatch hielt es eine Weile in den Händen und dachte an den Tag, an dem Claire es ihm auf einem Highschool-Ausflug nach Bar Harbor geschenkt hatte. Jetzt war es nichts weiter als ein über zwei Jahrzehnte alter Fetzen, den er achtlos beiseite legte. Claire hatte ihr Glück gefunden - oder verloren, je nachdem, wie man es betrachtete.
    Ein letzter Versuch. Hatch packte den Schrank, um ihn mit aller Gewalt zur Seite zu wuchten, aber das schwere Möbel bekam auf einmal das Übergewicht und kippte nach vorn, so daß Hatch sich nur mit einem beherzten Sprung vor dem Monstrum in Sicherheit bringen konnte. Nachdem sich die aufgewirbelte Staubwolke verzogen hatte, sah er, daß die Rückwand des Schrankes auseinandergebrochen war.
    Neugierig trat Hatch näher. Hinter der Wand befand sich ein schmaler Hohlraum, aus dem vergilbte alte Zeitungsausschnitte und ein paar Seiten brüchiges, mit einer geschwungenen, ältlich wirkenden Handschrift beschriebenes Papier hervorlugten.

34
    Die langgezogene Spitze ockerfarbenen Landes mit dem Namen Burnt Head ragte südlich von Stormhaven wie der knochige Finger eines Riesen weit ins Meer hinaus. Auf der von der Stadt abgewandten Seite gab es unterhalb des Leuchtturms eine einsame Bucht, Squeaker's Gove, in der Millionen von Muschelschalen, vom Rhythmus der Wellen sanft bewegt, ein beständiges leises Rascheln erzeugten. Das von verschlungenen Pfaden durchzogene, dichtbewaldete Tal darüber hieß Squeaker's Glen, und in dieser verschwiegenen Idylle haben viele Jungen und Mädchen aus Stormhaven ihre Unschuld verloren.
    Einer von ihnen war auch Malin Hatch gewesen, der jetzt, nach mehr als zwanzig Jahren, wieder den schmalen Pfaden zwischen den Bäumen folgte und nicht genau wußte, weshalb er seinem spontanen Entschluß nachgegeben und an diesen erinnerungsträchtigen Ort gekommen war. Vorhin, auf dem Speicher des alten Hauses, hatte er die Handschrift auf den im Schrank gefundenen Blättern nach einigem Überlegen als die seines Großvaters identifiziert. Weil er die alten Blätter nicht an Ort und Stelle hatte lesen wollen, war er aus dem Haus gegangen und den Strand entlangspaziert. Irgendwie hatten ihn dann seine Füße wie von selbst quer über die Wiesen bei Fort Blacklock hinüber nach Burnt Head getragen.
    In Squeaker's Glen angekommen, folgte Hatch einem Trampelpfad, der sich in vielen Windungen durch das dichtbewachsene Gelände nach unten schlängelte. Bald erreichte er einen kleinen Talkessel, der an drei Seiten von steilen, mit Moos und Schlingpflanzen bewachsenen Felswänden umgeben war.
    Dort, wo sich das Tal zum Meer hin öffnete, versperrten dichtbelaubte Bäume und Büsche die Sicht. Nur das eigentümliche Geräusch der von den Wellen bewegten Muschelschalen wies auf die Nähe des Ozeans hin. Armdicke Lichtstrahlen fielen schräg durch das Blätterdach und zeichneten helle Flecken auf das spärliche Gras am Boden des Tales. Hatch mußte unwillkürlich grinsen, als ihm ein Gedicht von Emily Dickinson in den Sinn kam: »Es ist ein Licht von schrägem Fall«.
    Winternachmittags -
    Drückt uns nieder, wie die Wucht eines Domchorals -
    Beim Anblick des kleinen Tales strömte eine Fülle von Erinnerungen auf ihn ein. Vor allem ein bestimmter Nachmittag im Mai, ein halbes Jahr vor seiner Abreise nach Boston, kam ihm in den Sinn, ein Nachmittag voller zaghafter unsicherer Berührungen und dem exotischen Gefühl, damit in eine neue,

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