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Riptide - Mörderische Flut

Riptide - Mörderische Flut

Titel: Riptide - Mörderische Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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gebaut.«
    Hatch stützte sich auf die Ellenbogen und schaute durch das Laub der Bäume hinunter auf den Fluß. »Johnny hätte in seinem Leben bestimmt etwas ganz Großes erreicht. Manchmal denke ich, daß einer der Gründe, weshalb ich das Medizinstudium in Harvard geschafft habe, der war, daß ich das, was ihm zugestoßen ist, ungeschehen machen wollte.«
    »Was genau wollten Sie denn ungeschehen machen?« fragte Bonterre sanft.
    »Ich war es, der vorgeschlagen hat, an jenem Tag nach Ragged Island zu fahren«, antwortete Hatch.
    Abermals war er Bonterre dafür dankbar, daß sie ihm die in solchen Situationen üblichen Platitüden ersparte. Er atmete zweimal tief durch und hatte den Eindruck, als könne er sich damit von dem Gift befreien, das sich jahrelang in ihm angestaut hatte.
    »Nachdem Johnny in dem Stollen verschwunden war, brauchte ich eine ganze Weile, bis ich wieder nach draußen gefunden hatte. Ich weiß nicht mehr genau, wie lange das dauerte. Überhaupt erinnere ich mich nur noch, bruchstückhaft an das, was damals passiert ist. Ich habe es versucht, aber es gibt da eine große Lücke in meinem Gedächtnis. Ich weiß zwar noch, daß wir uns den Tunnel entlangtasteten und Johnny ein Streichholz anzündete, aber meine nächste klare Erinnerung ist die, wie ich mit dem Boot am Steg meiner Eltern ankomme. Sie waren gerade von einem Mittagessen bei Freunden zurückgekehrt und fuhren so schnell sie konnten nach Ragged Island hinüber, und zwar mit der halben Stadt im Schlepptau. Ich werde niemals das Gesicht meines Vaters vergessen, als er aus dem Tunnel zurückkam. Seine Kleidung war voll von Johnnys Blut. Er weinte und schrie und schlug mit den Fäusten auf die Stollenwand ein.«
    Hatch hielt einen Augenblick inne und ließ die traurige Szene noch einmal Revue passieren, »obwohl man den Stollen von vorne bis hinten absuchte und sogar Löcher in die Wände und Decken schlug, war Johnnys Leiche nicht aufzufinden; obwohl selbst die Küstenwache bei der Suche mithalf, ebenso wie ein Bergwerksingenieur mit einem speziellen Horchgerät. Sie haben sogar einen schweren Schaufelbagger auf die Insel gebracht, aber der Boden war zu instabil, um ihn zum Einsatz zu bringen.«
    Bonterre hörte Hatch schweigend zu.
    »Den ganzen Tag lang und die Nacht hindurch und den folgenden Tag haben sie nach Johnny gesucht. Dann, als gegen Ende des zweiten Tages langsam immer klarer wurde, daß Johnny unmöglich noch am Leben sein konnte, gaben die ersten Helfer auf. Obwohl mehrere Ärzte sagten, daß man aufgrund der Menge des im Tunnel gefundenen Blutes mit Sicherheit davon ausgehen könne, daß Johnny tot sei, blieb Dad auf der Insel und suchte weiter. Er blieb auch noch dort, als nach einer Woche alle anderen, darunter selbst Mom, aufs Festland zurückkehrten. Die Tragödie hatte etwas in seinem Kopf verändert. Er wanderte ziellos umher, kletterte in Schächte hinab, grub Löcher mit Schaufel und Hacke und rief Johnnys Namen so lange, bis er vor Heiserkeit kein Wort mehr herausbrachte. Man glaubt es kaum, aber er war wochenlang dort draußen. Meine Mom flehte ihn an, doch nach Hause zu kommen, aber Dad weigerte sich, Ragged Island zu verlassen. Dann, eines Tages, fuhr sie auf die Insel, um ihm etwas zu essen zu bringen, aber er war nirgends zu finden. Wieder wurde eine großangelegte Suchaktion veranstaltet, und diese führte schließlich zu einem Ergebnis: Man fand Dad ertrunken in einem mit Wasser gefüllten Schacht. Zwar sprach niemand offen mit uns darüber, aber bald wurde in der Stadt gemunkelt, daß er in seiner Verzweiflung Selbstmord begangen haben könnte.«
    Hatch starrte hinab auf das Blättermeer unter dem blauen Himmel. Er hatte diese Geschichte bisher noch niemandem in dieser Ausführlichkeit erzählt und hatte sich nicht vorstellen können, was für eine enorme Erleichterung es war, sie sich von der Seele zu reden. Es war, als würde ihm eine schwere Last von den Schultern genommen, die er bereits so lange mit sich herumgeschleppt hatte, daß er ihr Vorhandensein schier vergessen hatte.
    »Danach blieben wir noch sechs Jahre in Stormhaven. Ich glaube, Mom hat immer darauf gehofft, daß die Leute eines Tages aufhören würden, über uns zu reden. Aber das taten sie nicht, denn eine Kleinstadt wie diese vergißt nichts. Dabei waren alle so… nett zu uns. Und trotzdem zerrissen sie sich hinter unserem Rücken das Maul. Ich hörte zwar nicht viel von dem Klatsch, aber ich wußte trotzdem, daß es ihn gab. Und es

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