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Riptide - Mörderische Flut

Riptide - Mörderische Flut

Titel: Riptide - Mörderische Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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Stuhl und Malkasten abgestellt hatte, ging er zurück zum Boot, um seine Zeichenmappe und eine zusammenklappbare Staffelei zu holen.
    Er baute alles auf, setzte sich in den Stuhl und sah sich um, bevor er sich für ein Motiv entschied. Dieses betrachtete er dann mit zusammengekniffenen Augen durch einen kleinen Papprahmen, um ein besseres Gefühl für die Verteilung der Farben zu bekommen. Das helle Grau der Austernschalen bot einen guten Kontrast zu der rötlichen, vom Dunst verschleierten Masse des Mount Lovell im Hintergrund. Die Linien waren so einfach, daß Hatch keine Bleistiftskizze anzufertigen brauchte, sondern gleich mit dem Aquarell beginnen konnte.
    Er öffnete die Zeichenmappe und entnahm ihr ein großes Stück teures, grob strukturiertes Aquarellpapier. Nachdem er es auf der Staffelei befestigt hatte, strich er mit den Fingern erwartungsvoll über die rauhe Oberfläche. Dieses Papier war jeden Cent wert, den er dafür bezahlt hatte. Seine Struktur würde die Farbe hervorragend aufnehmen, was bei der Naß-in-Naß-Technik, die Hatch bevorzugte, besonders wichtig war.
    Er nahm die Schutzkappen von den Spitzen seiner Pinsel und besah sich, was er dabeihatte: einen Flachpinsel aus Rinder- und ein paar runde aus Marderhaar sowie einen Verwaschpinsel aus Dachshaar und einen kräftigen, einen halben Zentimeter breiten Borstenpinsel, mit dem man die Wolken trockentupfen konnte. Als nächstes füllte Hatch ein Töpfchen auf der Palette mit Wasser und nahm sich aus dem Malkasten eine Tube Coelinblau. Er drückte etwas Farbe in das Töpfchen und rührte um, wobei er sich kurz darüber ärgerte, daß seine verletzte Hand nicht so rasch heilte, wie er es gern gehabt hätte. Dann feuchtete er das Papier mit einem Baumwolltupfer an und blickte lange hinaus in die Landschaft. Schließlich holte er tief Luft, tauchte einen Pinsel in das Töpfchen und färbte die oberen zwei Drittel des Bildes gleichmäßig hellblau.
    Während der Pinsel mit breiten Strichen übers Papier glitt, spürte Hatch, wie sich die Verkrampfung in seinem Inneren langsam zu lösen begann. Aber diese Landschaft zu malen war nicht nur eine Art Therapie für ihn, es gab ihm auch das Gefühl, endlich heimgekehrt zu sein. In all den Jahren nach Johnnys Tod hatte er es nie über sich gebracht, zu diesen prähistorischen Muschelhaufen zurückzukehren. Und jetzt, als er nach einem Vierteljahrhundert wieder nach Stormhaven gekommen war, spürte er, wie sich eine große Wende in seinem Leben ankündigte. Nun, da er die Leiche seines toten Bruders gefunden hatte, wurde ihm langsam klar, daß auch der schlimmste Schmerz einmal ein Ende hatte. Vielleicht würde er, wenn er sich für eine passende Grabstätte entschieden hatte, Johnnys Knochen aus der Erde holen lassen, unter der sie so lange gelegen hatten. Vielleicht würde er sogar herauskriegen, welcher teuflische Mechanismus seinen Bruder das Leben gekostet hatte. Aber selbst das war jetzt nicht so wichtig. Entscheidend war, daß er nun endlich dieses Kapitel seines Lebens abschließen und einen neuen Weg einschlagen konnte.
    Hatch wandte sich wieder seinem Aquarell zu. Jetzt war es an der Zeit, sich dem Vordergrund zu widmen. Das helle Ockergelb aus seinem Malkasten paßte fast perfekt zur Farbe des Kiesstrandes, und wenn er es mit ein wenig Paynesgrau mischte, konnte er damit sogar die Austernschalen malen.
    Als er nach einem anderen Pinsel griff, hörte er, wie sich stromaufwärts das Tuckern eines Innenbordmotors näherte. Er sah eine bekannte Gestalt mit dunkler Haut und einem breitkrempigen Strohhut, die von einem Ufer zum anderen blickte, als suche sie etwas. Es war Bonterre. Als sie ihn entdeckte, winkte sie ihm lächelnd zu und lenkte das ThalassaBoot in seine Richtung. Sie schaltete den Motor ab und ließ den Bug sanft auf den Strand auflaufen.»Isobel!« rief Hatch.
    Sie machte das Boot fest und kam auf ihn zu, wobei sie den Hut vom Kopf nahm und ihre langen schwarzen Haare schüttelte. »Ich habe Sie vom Postamt aus beobachtet. Dort gibt es nämlich ein nettes altmodisches Teleskop. Ich habe gesehen, wie Sie Ihr Boot flußaufwärts gesteuert haben und bin ganz einfach neugierig geworden.«
    So macht sie es also, dachte er erleichtert. Sie tut so, als wäre nichts gewesen, und erspart mir auf diese Weise tränenfeuchte Anteilnahme und peinliche Gespräche über das, was gestern passiert ist.
    Bonterre deutete mit dem Daumen hinter sich. »Das sind ja ziemlich beeindruckende Häuser da

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