Riptide - Mörderische Flut
Streeter auf die Knie fiel und mit aufgerissenem Mund nach Luft schnappte.
»Wenn Sie mich noch einmal anfassen«, sagte Hatch zu dem keuchenden Mann, »dann können Sie Ihre Eier fortan in einer Tasse mit sich herumtragen.«
Streeter rappelte sich auf und starrte Hatch rachsüchtig an.
»Ich glaube nicht, daß hier Gewaltanwendung vonnöten ist, Mr. Streeter«, sagte Neidelman scharf, als der Vorarbeiter Hatch abermals bedrohlich nahe rückte. »Dr. Hatch wird sich aus freien Stücken zu seinem Boot begeben. Jetzt, wo wir seinen Plan enttarnt haben, ist ihm sicherlich klar, daß er uns mit nichts mehr aufhalten kann. Und ich glaube auch, daß er nicht so dumm sein wird, es trotzdem zu versuchen.«
Danach wandte er sich wieder an Hatch. »Ich bin ein fairer Mann, Dr. Hatch. Sie haben es versucht, mich, übers Ohr zu hauen, und sind damit gescheitert. Deshalb ist Ihre Anwesenheit auf Ragged Island nicht mehr erwünscht. Wenn Sie jetzt gehen und mich weitermachen lassen, dann werde ich Ihnen wie geplant Ihren Anteil am Erlös des Schatzes zukommen lassen. Falls Sie aber versuchen sollten, mich weiter an meiner Arbeit zu hindern, dann…« Er stemmte die Hände in die Hüften und schob dabei seine Öljacke so weit nach hinten, daß Hatch den Revolver sehen konnte, der in seinem Gürtel steckte.
»Mit Ihrer Waffe können Sie mich nicht beeindrucken«, sagte Hatch.
»Los, Abmarsch!« raunzte Streeter und trat vor.
»Ich finde schon alleine raus«, entgegnete Hatch. Er ging zur gegenüberliegenden Wand und begann -ohne den Blick von Neidelman zu wenden - die Leiter hinauf zum Lift zu steigen, der gerade mit den ersten Arbeitern der nächsten Schicht nach unten gekommen war.
41
Die aufgehende Sonne löste sich von einer Wolkenbank am Horizont und warf einen glitzernden Lichtstreifen über den Ozean und die Armada von Booten, die den kleinen Hafen von Stormhaven fast vollständig füllte.
Ein kleines Fischerboot mit Woody Clay am Steuer tuckerte langsam, mitten durch die Flottille hindurch, nahm Kurs aufs offene Meer und rammte dabei fast die Boje an der Hafenausfahrt. Als Seemann war Clay offenbar nicht allzu aufmerksam. Vor dem Hafen wendete er das Boot und schaltete den Motor ab. Dann hob er ein verbeultes Megaphon an den Mund und rief den versammelten Fischern ein paar Instruktionen zu, wobei seine Stimme trotz der Verzerrung durch den altersschwachen Verstärker des Megaphons noch viel von ihrer Überzeugungskraft behielt. Beantwortet wurden seine Worte von einem vielfachen Husten und Stottern, mit dem die Diesel der versammelten Fischerboote angeworfen wurden. Wenig später legten die Schiffe ab, verließen den Hafen und nahmen rasch Fahrt auf. Es waren so viele, daß bald die ganze Bucht vom Kielwasser der Flotte durchzogen war, die sich in Richtung Ragged Island in Marsch gesetzt hatte.
Drei Stunden später und sechs Meilen weiter südöstlich kämpfte sich die späte Vormittagssonne durch den Nebel, der über der Wassergrube mit ihrem weitläufigen feuchten Labyrinth aus Schächten, Stollen und Verstrebungen, lag. Bis hinunter in die Grube selbst freilich drang das Licht nicht. Hier, über fünfzig Meter unter der Erdoberfläche, hatten Tag und Nacht keine Bedeutung mehr.
Gerard Neidelman stand auf einer kleinen Plattform und sah seinen Männern zu, die unter ihm fieberhaft an der Sohle des Schachtes arbeiteten. Es war ein paar Minuten vor zwölf Uhr mittags, und durch das Heulen der Entlüftungsanlage und das Geräusch der Winde konnte Neidelman das Tuten von Nebelhörnern und das Abfeuern einer Signalkanone hören.
Er lauschte eine Weile in den Schacht hinauf, bevor er zu seinem tragbaren Telefon griff. »Streeter?«
»Jawohl, Sir«, antwortete der Vorarbeiter aus dem Kontrollraum des Orthanc, der sich fast sechzig Meter über Neidelman befand. Wegen der schlechten Verbindung klang die Stimme verzerrt und kratzig.
»Was ist los da oben?«
»Hier sind etwa zwei Dutzend Boote, Sir, die einen Ring um die ›Cerberus‹ gebildet haben und sie zu blockieren versuchen. Sie glauben wahrscheinlich, wir würden uns alle an Bord befinden.« Aus dem Hörer war ein Knistern zu hören, das Neidelman als Lachen interpretierte. »Aber es ist nur Rogerson dort, und der muß sich jetzt ihre Parolen anhören. Den Rest der Wissenschaftler habe ich gestern abend an Land geschickt.«
»Irgendwelche Anzeichen von Sabotage oder Übergriffen?«
»Nein, Sir. Sie sind relativ zahm. Schlagen zwar viel Krach, aber ansonsten
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