Riptide - Mörderische Flut
eiskalter Stimme zu Streeter. »Sehr komisch sogar, finden Sie nicht, Mr. Streeter? Jetzt, wo wir die Schatzkammer in dreißig Arbeitsstunden erreichen können, will Dr. Hatch die ganze Unternehmung stoppen.«
»In dreißig Stunden kann der Sturm direkt über der Insel toben, und, dann…«
»Irgendwie«, unterbrach ihn der Kapitän, »glaube ich nicht recht daran, daß Sie sich wirklich so große Sorgen um das Schwert und den Sturm machen. Diese alten Papiere sind doch nichts als mittelalterlicher Humbug -wenn sie überhaupt echt sind -, und der Sturm kann genausogut an uns vorüberziehen. Ich verstehe nicht ganz, weshalb Sie…« Er hielt inne, weil ihm etwas zu dämmern schien. »Aber natürlich. Jetzt weiß ich, warum Sie das tun. Da steckt in Wahrheit ein ganz anderes Motiv dahinter, habe ich nicht recht?«
»Wovon reden Sie überhaupt?«
»Wenn wir jetzt aufhören, dann geht Thalassa das gesamte investierte Kapital verloren. Sie wissen genau, daß unsere Geldgeber bereits eine zehnprozentige Kostenüberschreitung in Kauf nehmen mußten. Sie werden nicht noch mal zwanzig Millionen ausspucken, damit wir die Arbeiten nächstes Jahr wieder aufnehmen können. Aber genau das ist es ja, was Sie wollen, nicht wahr?«
»Lassen Sie mich doch mit Ihren paranoiden Phantasien in Ruhe«, sagte Hatch ärgerlich.
»Es sind aber keine Phantasien, und das wissen Sie genau«, erwiderte Neidelman. mit gedämpfter Stimme. »Jetzt, wo Sie von Thalassa alle Informationen bekommen haben, die Sie brauchen, würden Sie nichts lieber sehen, als daß wir so rasch wie möglich bankrott gingen. Schließlich haben wir Ihnen ja jetzt die Tür zum Schatz geöffnet. Sie brauchen nur noch hineinspazieren und ihn herausholen, und dann gehört er Ihnen ganz allein. Und, was noch viel wichtiger ist: das St.-MichaelsSchwert auch.« Seine Augen funkelten vor Mißtrauen. »Ja, so ergibt alles einen Sinn. Es erklärt zum Beispiel auch, weshalb Sie unbedingt diesen Paragraph neunzehn in Ihrem Vertrag haben wollten. Oder die merkwürdigen Computerprobleme und die endlosen Verzögerungen. Jetzt ist mir klar, weshalb auf der ›Cerberus‹ alles funktioniert hat, aber nicht hier auf Ihrer Insel. Sie haben das alles von Anfang an geplant!« Neidelman schüttelte verbittert den Kopf. »Und ich habe Ihnen vertraut! Und dann bin ich auch noch mit meinen Befürchtungen wegen eines Saboteurs im Team ausgerechnet zu Ihnen gegangen!«
»Aber ich will Sie doch gar nicht um Ihren Anteil bringen, Gerard. Sie wissen genau, daß mir der Schatz scheißegal ist. Worum es mir geht, ist die Sicherheit Ihrer Leute.«
»Die Sicherheit meiner Leute!« wiederholte Neidelman höhnisch. Er fischte eine Schachtel Streichhölzer aus der Tasche und riß eines davon an. Anstatt die Flamme aber zum Anzünden seiner Pfeife zu verwenden, hielt er sie mit einer plötzlichen Bewegung ganz nahe an Hatchs Gesicht. Dieser wich einen Schritt zurück.
»Ich möchte, daß wir uns über eines im klaren sind«, fuhr Neidelman leise fort und schüttelte das Streichholz, bis es erlosch. »In dreißig Stunden gehört dieser Schatz mir. Ich weiß jetzt, was für ein Spiel Sie spielen, Hatch, und ich weigere mich, dabei mitzumachen. Sollten Sie dennoch versuchen, mich an meiner Arbeit zu hindern, werde ich Gewalt gegen Sie anwenden. Haben Sie mich verstanden?«
Hatch sah Neidelman prüfend an und versuchte herauszufinden, was hinter dieser eiskalten Fassade wohl vor sich ging. »Gewalt?« wiederholte er. »Soll das etwa eine Drohung sein?« »So kann man es durchaus auffassen«, erwiderte Neidelman nach einer längeren Pause mit noch leiserer Stimme als zuvor. Hatch richtete sich auf. »Wenn Sie morgen bei Sonnenaufgang nicht von meiner Insel verschwunden sind, dann werde ich Sie von der Polizei entfernen lassen. Und ich verspreche Ihnen, daß ich Sie, sollte jemand zu Schaden oder gar ums Leben kommen, wegen Körperverletzung mit Todesfolge anzeigen werde.«
Neidelman drehte sich um. »Mr. Streeter?«
Streeter trat einen Schritt vor.
»Begleiten Sie Dr. Hatch zur Pier.«
Streeters schmales Gesicht verzog sich zu einem hämischen Grinsen.
»Dazu haben Sie kein Recht«, protestierte Hatch. »Sie befinden sich nämlich auf meiner Insel.«
Streeter packte Hatch am Arm, aber dieser trat einen Schritt zur Seite, ballte die rechte Hand zur Faust und schlug dem Mann damit genau auf den Solarplexus. Es war kein fester Schlag, dafür aber mit solch anatomischer Genauigkeit plaziert, daß
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