Riptide - Mörderische Flut
sich das an!«
Der weiße Streifen war kein Schiff, sondern der Schaumkamm einer sich brechenden Riesenwelle. »Helfen Sie mir am Steuerrad!« schrie Hatch.
Bonterre packte das Rad mit beiden Händen, und Hatch griff zum Gashebel. Während das Boot langsam den fast senkrechten Wellenberg hinaufstieg, gab Hatch vorsichtig etwas mehr Gas, damit es besser dem Ruder gehorchte. Als sich die Welle schließlich mit einem gewaltigen, hohl klingenden Donnern über ihnen brach, kam es ihm wie eine Explosion aus weißem Schaum vor. Hatch holte noch einmal tief Luft und bereitete sich auf den Ansturm der Wassermassen vor.
Einen Augenblick lang schien es so, als würde das Boot im Inneren der Welle schweben, bevor es sich auf einmal losriß und in einer raschen, korkenzieherartigen Bewegung über den Kamm taumelte. Obwohl Hatch das Gas zurücknahm, sauste die »Plain Jane« mit beängstigend hoher Geschwindigkeit wieder nach unten. Im Wellental, wo sie kurzzeitig vor dem Sturm geschützt waren, umgab Hatch und Bonterre eine unheimliche, fast unwirklich anmutende Ruhe. Dann baute sich auch schon der nächste Berg aus schwarzgrünem Wasser und brodelnder Gischt vor ihnen auf.
»Hinter Wreck Island wird es wohl noch schlimmer werden«, rief Hatch.
Bonterre machte sich gar keine Mühe mehr, ihm darauf zu antworten, sondern klammerte sich ans Steuerrad, während das Boot mit einem donnernden Krachen von einem weiteren Brecher getroffen wurde.
Hatch sah auf den Monitor des elektronischen Navigationssystems: Sie wurden von einer starken Riptide mit einer Geschwindigkeit von vier Knoten nach Südosten abgetrieben. Mit einer Hand am Steuerrad und der anderen am Gashebel korrigierte er den Kurs, um die Abdrift zu kompensieren, während Bonterre ihm dabei half, das Ruder stabil zu halten.
»Der Professor hatte recht«, rief Hatch. »Ohne Sie würde ich das niemals schaffen.«
Der Sturm hatte Bonterres langes Haar unter dem Südwester hervorgezerrt und blies es nach hinten, was ihr das Aussehen einer hinreißenden Furie verlieh. Ihr Gesicht war stark gerötet -ob vor Angst oder Aufregung, konnte Hatch nicht sagen. Da schlug eine weitere Woge über der »Plain Jane« zusammen. »Wie wollen Sie denn Neidelman davon überzeugen, daß das Schwert radioaktiv ist?« brüllte Bonterre.
»Thalassa war so freundlich, meine Praxis mit jeder Menge verrückter Instrumente auszustatten. Darunter ist auch ein High-Tech-Geigerzähler. Ich habe das verdammte Ding noch nicht ein einziges Mal eingeschaltet.« Hatch schüttelte den Kopf, während die »Plain Jane« in ein weiteres Wellental hinabsauste. »Wenn ich das bloß mal getan hätte -der Geigerzähler hätte vermutlich durchgedreht. Bestimmt haben die kranken Arbeiter eine Menge radioaktiven Staub in meine Praxis getragen. Ganz egal, wie versessen Neidelman auf dieses Schwert ist, der Geigerzähler wird ihn schon überzeugen.«
Durch das Heulen des Windes und sein eigenes Gebrüll konnte Hatch ganz leise das entfernte Brechen von Brandung hören. Sie passierten gerade Wreck Island, und als sie seinen Windschatten verließen, nahm der Sturm noch einmal an Heftigkeit zu. Wie auf ein Stichwort hin baute sich auch schon eine Welle vor der »Plain Jane« auf, noch gewaltiger als alle zuvor. Mit einem Kamm aus zischender Gischt dräute sie über ihren Köpfen, während das Boot langsam aus einem stillen Wellental nach oben stieg. Hatch, dem das Herz bis zum Hals schlug, beschleunigte die »Plain Jane« in genau dem Augenblick, als er spürte, wie das Boot von der Welle angehoben wurde.
»Halten Sie sich fest!« schrie er, als der Wellenkamm sich vor ihnen brach. Er gab Vollgas und steuerte das Boot direkt in die brodelnden Wassermassen hinein. Die »Plain Jane« bekam einen gewaltigen Schlag und tauchte in ein seltsames Halbdunkel, in dem sowohl das Meer als auch die Luft aus Wasser zu bestehen schienen. Dann waren sie durch die Woge hindurch und begannen einen steilen Absturz den gischtbedeckten Hinterhang der Welle hinab, bei dem die Schiffsschraube aus dem Wasser kam und leer durchdrehte. Hatch sah, wie sich schon der nächste weißschäumende Wellenkamm einem wild geifernden Seeungeheuer gleich auf sie zu wälzte.
Hatch kämpfte gegen die in ihm aufsteigende Panik an, als ihm klar wurde, daß die letzte Welle nur ein Vorgeschmack auf das gewesen war, was sie auf den nächsten drei Meilen erwarten würde.
Auf einmal bemerkte er bei jedem Gieren des Bootes ein merkwürdiges Zittern und Ziehen
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