Riptide - Mörderische Flut
bringen?«
»Sehen Sie denn nicht, daß der Mann einen Transport mit dem Boot nicht überleben wird? Stellen Sie mir eine Verbindung mit der Küstenwache her!«
Streeter drückte eine Taste seines Handys und reichte es wortlos an Hatch weiter.
Hatch ließ sich einen Sanitäter geben und beschrieb ihm rasch, was passiert war. »Ich mußte beide Beine amputieren, eines unterhalb, eines oberhalb des Knies«, sagte er. »Der Patient hat viel Blut verloren und steht unter Schock. Sein Puls ist fadenförmig bei fünfundfünfzig, außerdem ist er bewusstlos und hat möglicherweise Wasser in der Lunge. Schicken Sie mir einen Hubschrauber mit dem besten Piloten, den Sie haben. Es gibt auf der Insel keinen Landeplatz, deshalb müssen Sie den Patienten in einem Rettungskorb hochholen. Geben Sie dem Piloten Kochsalzlösung und Blut Gruppe null negativ mit, falls Sie welches haben. Aber machen Sie schnell, es geht um Leben und Tod.« Hatch deckte das Mikro des Handys mit der Handfläche ab und wandte sich an Streeter. »Gibt es eine Möglichkeit, die Beine innerhalb der nächsten Stunde aus dem Schacht zu holen?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Streeter emotionslos. »Das Wasser hat die Wände möglicherweise instabil gemacht. Ich werde sehen, ob ich einen Taucher hinunterschicken kann.«
Hatch schüttelte den Kopf und nahm die Hand vom Telefon. »Der Hubschrauber soll den Patienten direkt zum Eastern Maine Medical Hospital fliegen. Alarmieren Sie dort das Notfallteam und stellen Sie sicher, daß ein OP bereitsteht. Und sehen Sie zu, daß auch ein Mikrochirurg dort ist für den Fall, daß wir die abgetrennten Gliedmaßen noch bergen können.«
Er klappte das Handy zu und gab es Streeter zurück. »Aber passen Sie auf, daß Sie bei der Suche nach den Beinen nicht noch jemanden in Gefahr bringen.«
Hatch wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Verletzten zu. Sein Puls war schwach, aber halbwegs regelmäßig. Wichtiger war allerdings, daß er langsam das Bewußtsein wiedererlangte, zu stöhnen anfing und versuchte, sich herumzuwälzen. Hatch spürte, wie ihn eine Woge der Erleichterung durchlief. Wenn der Mann noch viel länger bewußtlos geblieben wäre, hätte er nur schlechte Überlebenschancen gehabt. Hatch suchte in seinen Sachen nach Morphium und injizierte dem Verletzten fünf Milligramm davon. Das war genug, um seine Schmerzen zu lindern, aber nicht so viel, daß es seinen Puls noch weiter verlangsamt hätte. Dann wandte er sich den Beinstümpfen zu. Beim Anblick der unsauberen Schnitte und der gesplitterten Knochen zuckte er innerlich zusammen. Aber die relativ stumpfe Schneide einer Axt arbeitete nun mal sehr viel unpräziser als eine Knochensäge im öperationssaal. Hatch bemerkte, daß der Mann weiterhin stark blutete, vor allem aus der öberschenkelarterie des rechten Beines. Hatch suchte in seiner auf dem Boden verstreuten Ausrüstung Nadel und Faden und begann, die Venen und Arterien einzeln zuzunähen.
»Dr. Hatch?« fragte Streeter.
»Was ist?« entgegnete Hatch, der den Kopf über einen der Beinstümpfe gebeugt hatte und gerade mit einer Pinzette an einer mittelgroßen Vene zog.
»Wenn Sie einen Augenblick Zeit hätten, würde Kapitän Neidelman gerne mit Ihnen sprechen.«
Hatch nickte, band die Vene ab und überprüfte, ob die Knebel auch richtig saßen. Dann säuberte er die Wunde, wischte sich die Hände ab und ließ sich das Funkgerät geben.
»Wie geht es ihm?« fragte Neidelman.
»Er hat relativ gute Überlebenschancen, vorausgesetzt, das mit dem Hubschrauber klappt wie geplant«, antwortete Hatch.
»Gott sei Dank. Und was ist mit seinen Beinen?«
»Selbst wenn wir sie aus dem Schacht heraufbringen, glaube ich nicht, daß sie wieder angenäht werden können. Ich rate Ihnen dringend, in Zukunft zusammen mit Ihrem Vorarbeiter angemessene Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Dieser Unfall wäre vermeidbar gewesen.«
»Verstehe«, sagte Neidelman.
Hatch gab das Funkgerät zurück und blickte nach Nordwesten, wo sich der nächstgelegene Stützpunkt der Küstenwache befand. In drei bis vier Minuten müßte der Hubschrauber eigentlich am Horizont auftauchen. »Zünden Sie ein Leuchtfeuer an«, befahl er Streeter. »Und lassen Sie diese Stelle hier räumen, sonst geschieht noch ein weiteres Unglück. Wenn der Hubschrauber da ist, brauchen wir vier Männer, um den Verletzten in den Rettungskorb zu hieven. Alle anderen haben hier nichts zu suchen.«
»Verstanden«, sagte Streeter mit zusammengebissenen
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