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Riptide - Mörderische Flut

Riptide - Mörderische Flut

Titel: Riptide - Mörderische Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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auflösen. Er erinnerte sich daran, wie er und Johnny damals draußen auf der Wiese in ihren Schlafsäcken gelegen und zwischen dem wohlriechenden, taufeuchten Gras die Sternschnuppen droben am Himmel gezählt hatten.
    »Haben Sie letztes Jahr meinen Brief bekommen?« drängte sich die Stimme von Doris in seine Gedanken. »Ich hatte schon Angst, er wäre in der Post verlorengegangen.«
    Hatch drehte sich um und versuchte zu verstehen, was die Frau gesagt hatte. Dann gab er auf und kehrte zurück in die Vergangenheit. In einer Ecke des Zimmers lag ein halb fertiggestickter Kissenbezug, dessen Farben zu Pastelltönen verblaßt waren. Auf dem Regal sah er die Bücher seines Vaters -Richard Henry Dana, Melville, Slocum, Conrad und Sandbergs Lincoln-Biographie sowie jede Menge englische Kriminalromane, die seine Mutter immer so gerne gelesen hatte. Darunter waren ein Stapel abgegriffener »Time«-Magazine und eine Reihe von gelben »National Geographics«-Heften. Gedankenverloren schlenderte Hatch ins Eßzimmer hinüber. Die Maklerin folgte ihm auf dem Fuß.
    »Sie wissen ja, wie teuer es ist, ein altes Haut wie dieses in Schuß zu halten, Dr. Hatch«, sagte sie. »Und ich bin nach wie vor der Meinung, daß es für eine Person viel zu groß ist…« Sie hielt inne und lächelte Hatch verbindlich an.
    Hatch ging langsam im Zimmer umher, ließ seine Finger über die polierte Oberfläche des ausklappbaren Eßtischs gleiten und betrachtete nachdenklich die farbigen Audubon-Lithographien an den Wänden. Dann spazierte er weiter in die Küche. Dort hing an der chromverzierten Tür des bauchigen alten Kühlschranks noch immer ein mit einem Magneten befestigter Zettel, auf dem er in seiner eigenen fahrigen TeenagerHandschrift die Worte: »Hey, Mom! Erdbeeren, bitte!« lesen konnte. Kurz blieb er vor dem zerkratzten Küchentisch mit den beiden Bänken stehen, an dem er sich beim Frühstück mit seinem Bruder so oft gezankt und unzählige Male Milch verschüttet hatte, und dachte an seinen Vater, der beim Abendessen mit kerzengeradem Rücken inmitten des rings um ihn tobenden Chaos' gesessen und Seefahrtsgeschichten zum besten gegeben hatte, während auf seinem Teller das Essen kalt geworden war. Er dachte an seine Mutter, wie sie Jahre später gramgebeugt auf diese Tischplatte gestarrt hatte. Die Morgensonne hatte ihre grauen Haare von hinten angestrahlt, und bittere Tränen waren in ihre Teetasse gefallen.
    »Sie erinnern sich doch sicher«, hörte er auf einmal wieder die Stimme der Maklerin, »daß ich Ihnen von diesem jungen Ehepaar aus Manchester geschrieben habe. Es sind ganz reizende Leute mit zwei entzückenden Kindern. Die letzten paar Sommer über hatten sie das Figgins-Haus gemietet, aber jetzt tragen sie sich mit dem Gedanken, sich hier etwas Eigenes zu kaufen.«
    »Warum auch nicht?« murmelte Hatch desinteressiert. Vom Küchentisch aus hatte man einen Blick auf die Wiese hinter dem Haus, auf der die Apfelbäume inzwischen stark gewachsen und ziemlich verwildert waren. Hatch wußte noch, wie im Sommer kurz vor Sonnenaufgang immer das Wild aus den nahen Wäldern gekommen war und im Frühnebel vorsichtig die auf den Boden gefallenen Apfel gefressen hatte.
    »Ich glaube, daß die Leute über zweihundertfünfzigtausend Dollar zahlen würden. Soll ich sie vielleicht mal anrufen? Völlig unverbindlich natürlich…«
    Hatch mußte sich zwingen, die Frau anzusehen. »Wie bitte?« »Ich habe mir nur überlegt, ob Sie sich vielleicht mit dem Gedanken tragen, das Haus zu verkaufen. Weiter nichts.« Hatch blinzelte sie fragend an. »Verkaufen?« murmelte er leise. »Das Haus?«
    Das Lächeln auf Doris Bowditchs Gesicht hatte nicht den kleinsten Kratzer abbekommen. »Ich dachte nur, weil Sie doch Junggeselle sind, und da scheint es mir irgendwie… äh… unpraktisch zu sein.« Obwohl sie ein wenig aus der Fassung geraten war, hielt Doris tapfer die Stellung.
    Hatch nahm sich zusammen und schluckte seinen Ärger hinunter. In einer kleinen Stadt wie Stormhaven mußte man vorsichtig sein. »Ich glaube nicht, daß ich verkaufen will«, sagte er mit möglichst neutraler Stimme. Dann ging er durch das Wohnzimmer zurück in Richtung Eingangstür. Die Maklerin folgte ihm.
    »Es muß ja nicht sofort sein«, rief sie Hatch fröhlich hinterher. »Zuerst müssen Sie natürlich diesen -äh -Schatz heben. Aber das kann ja wohl nicht so lange dauern, bei all der Hilfe, die Sie haben.« Ihre Miene verdüsterte sich einen Moment. »Aber war es

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