Riptide - Mörderische Flut
ist es die Gier -reine, nackte Gier. Ein Mann hat bereits seine Beine verloren, aber das scheint Sie nicht groß zu stören. Von einem solchen Unterfangen kann nichts Gutes kommen. Diese Insel ist ein böser Ort. Und ein verfluchter dazu, wenn Sie so wollen. Ich selber bin nicht abergläubisch, aber ich weiß, daß Gott diejenigen bestraft, die aus unlauteren Motiven handeln.«
Hatchs Ruhe verflog in einer plötzlichen Aufwallung von Wut. Unsere Stadt? Unlautere Motive? »Wenn Sie in dieser Stadt groß geworden wären, Mr. Clay, dann wüßten Sie, warum ich hier bin«, fauchte er. »Bilden Sie sich also bloß nicht ein, über meine Motive Bescheid zu wissen.«
»Ich bilde mir überhaupt nichts ein«, entgegnete Clay, dessen hagerer Körper sich jetzt wie eine Feder spannte. »Ich weiß es. Auch wenn ich nicht in dieser Stadt geboren wurde, so weiß ich doch, was in ihrem Interesse liegt. Alle anderen hier sind doch bloß verblendet von dieser Schatzsuche und der Aussicht auf das schnelle Geld. Aber nicht ich, Gott ist mein Zeuge, nicht ich! Ich werde diese Stadt beschützen. Vor Ihresgleichen und vor sich selbst.«
»Reverend Clay, ich denke, Sie sollten erst einmal in der Bibel nachlesen, bevor Sie derartige Anschuldigungen aussprechen. ›Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet‹.«
Hatch bemerkte, daß er vor Wut immer lauter geworden war. Die Leute an den Nebentischen waren auf einmal ganz still geworden und starrten peinlich berührt auf ihre Teller. Hatch erhob sich abrupt und ging an dem schweigenden, ganz blaß gewordenen Clay vorbei aus dem Pavillon und hinüber zu den Ruinen des alten Forts auf der anderen Seite der Wiese.
17
Im Fort war es dunkel, feucht und kühl. Schwalben jagten im Inneren des aus Granitquadern erbauten Turmes in den durch alte Schießscharten hereinfallenden Sonnenstrahlen hin und her.
Nachdem Hatch das Fort durch einen Steinbogen betreten hatte, mußte er erst einmal stehenbleiben und schwer atmend seine Fassung wiedererlangen. Ohne es zu wollen, hatte er sich von dem Reverend provozieren lasse. Die halbe Stadt hatte es mitbekommen, und die andere Hälfte würde es bestimmt bald erfahren.
Hatch setzte sich auf einen Steinsims am Fuß der Mauer und dachte nach. Bestimmt hatte Clay mit seinen Ansichten nicht hinter dem Berg gehalten, aber Hatch bezweifelte, daß außer ein paar Hummerfischern ihm allzu viele Leute zugehört hatten. Die Fischer waren ziemlich abergläubisch und deshalb möglicherweise empfänglich für Clays Gerede von einem Fluch und seine düstere Drohung, daß die Schatzsuche die Hummerfischerei vernichten könnte… Hatch hoffte nur, daß die Fangergebnisse in diesem Jahr einigermaßen gut sein würden.
Langsam besänftigte die Stille in dem alten Gemäuer Hatchs Wut. Nur leise drangen die Geräusche des Festes jenseits der Wiese an sein Ohr. In Zukunft mußte er sich besser im Griff haben. Dieser Clay war zwar eine selbstgefällige Nervensäge, aber er war es nicht wert, daß man sich so über ihn ereiferte. Innen im Fort war es friedlich wie im Mutterschoß, und Hatch hätte es noch stundenlang in der angenehmen Kühle ausgehalten. Aber er wußte, daß er zurück zu dem Fest gehen und dort mit nonchalanter Miene alles wieder ins Lot bringen mußte. Auf jeden Fall sollte er dort sein, bevor die obligatorischen Reden begannen. Also stand er auf und wandte sich zum Gehen, als er zu seinem Erstaunen eine gebeugte Gestalt unter dem Steinbogen am Eingang stehen sah.
»Professor Horn!« rief Hatch.
Das kluge Gesicht des alten Lehrers verzog sich vor Freude. »Ich habe mich schon gefragt, wann du mich endlich bemerken würdest«, sagte er, während er auf seinen Stock gestützt näherkam. Horn gab Hatch freundlich die Hand. »Das war ja eine unerfreuliche kleine Szene eben.«
Hatch schüttelte den Kopf. »Ich habe die Fassung verloren wie ein Idiot. Was hat der Mann bloß an sich, daß er bei mir so die Sicherungen durchbrennen läßt?«
»Das ist nicht allzu schwer zu begreifen. Clay ist linkisch, im sozialen Umgang extrem unbeholfen, und zudem hat er ziemlich starre Moralvorstellungen. Aber unter seiner verbitterten Oberfläche schlägt ein. Herz, das so groß ist wie der Ozean.
Allerdings wohl auch so ungestüm und unergründlich wie dieser, nehme ich an. Er ist ein vielschichtiger Mann, Malin, unterschätze ihn nicht.« Der Professor legte Hatch die Hand auf die Schulter. »Aber jetzt haben wir lange genug über den Reverend geredet. Großer
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