Riptide - Mörderische Flut
verdammt schrecklich, wenn Sie mich fragen.«
»Wieso denn?«
»Haben Sie denn schon vergessen, daß wir einen Systemabsturz hatten? Diese verfluchten Pumpen haben den Geist aufgegeben. Danach habe ich den Inselcomputer mit Scylla drüben auf der ›Cerberus‹ verglichen, und was meinen Sie, daß ich festgestellt habe? Die ROM-Bausteine hier im Charybdis sind verändert worden. Verändert!« Wopner schlug mit der Faust auf einen der Computer neben seinem Stuhl.
»Und?«
»Und jetzt teste ich den ganzen Mist erneut durch, und plötzlich ist alles wieder in Ordnung. Und nicht nur das, es gibt nicht einmal die geringste Abweichung von den Sollwerten.« Wopner beugte sich vor. »Keinerlei Abweichung. Begreifen Sie endlich? Das ist physikalisch und computertechnisch absolut unmöglich!«
St. John hatte die Hände auf dem Rücken gefaltet und betrachtete die Computer ringsum. »Vielleicht spukt es ja in denen, Kerry«, meinte er mit einem süffisanten Lächeln.
Wopner ignorierte ihn.
»Ich kenne mich zwar mit Computern nicht aus«, fuhr St. John in seinem näselnden Akzent fort, »aber eines weiß sogar ich: Diese Maschinen sind immer nur so gut wie der Mensch, der sie programmiert hat.«
»Aber es liegt nicht am Programm, verdammt noch mal.« »Verstehe. Menschliches Versagen ist in diesem Fall natürlich vollkommen ausgeschlossen. Aber wenn ich mich richtig erinnere, war es ein falscher Algorithmus in FORTRAN, der die Raumsonde Mariner Eins auf Nimmerwiedersehen in den Tiefen des Weltalls hat verschwinden lassen.«
»Aber jetzt funktioniert doch alles wieder«, meinte Hatch. »Weshalb gehen Sie nicht einfach zur Tagesordnung über?«
»Klar doch, damit so ein Fehler noch einmal passiert. Ich will wissen , weshalb der ganze Mist ohne Vorwarnung gleichzeitig ausgefallen ist.«
»Jetzt können Sie auch nichts mehr daran ändern«, sagte St. John. »Und inzwischen hinken wir unserem Zeitplan zur Entschlüsselung des Tagebuchs immer weiter hinterher. Von Ihnen kommt nichts, aber ich habe weiter nachgeforscht und bin jetzt der Meinung, daß wir viel zu rasch die Möglichkeit verworfen haben, daß…«
»Quatsch mit Soße!« fauchte Wopner und rollte mit seinem Drehstuhl auf St. John zu. »Sie wollen mir doch wohl nicht schon wieder mit Ihrem polyalphabetischen Unfug kommen, alter Knabe. Wissen Sie was? Ich werde den Algorithmus meiner Brachialattacke ein wenig ändern und ihr fünfzigprozentige Systempriorität einräumen. Damit bringen, wir die Geschichte auf Trab, das garantierte ich Ihnen. Warum ziehen Sie sich nicht in Ihre Bibliothek zurück und kommen am Abend mit einer besseren Idee noch mal vorbei?«
St. John warf Wopner einen kurzen Blick zu, dann zog er sich achselzuckend sein Jackett wieder an und ging durch die niedrige Tür ins Freie.
Hatch folgte ihm hinüber in sein Büro. »Vielen Dank«, sagte er, als er St. John dort die beiden Schnellhefter zurückgab.
»Kerry hat recht«, meinte der Historiker, als er an seinem sauber aufgeräumten Schreibtisch Platz nahm und sich müde seine altertümliche Schreibmaschine griff. »Alles andere habe ich nämlich schon probiert. Ich bin dem Code mit sämtlichen Verschlüsselungstechniken zu Leibe gerückt, die es zu Macallans Zeit gegeben hat, ich habe ihn als arithmetisches Problem, betrachtet, als astronomisches oder astrologisches System und sogar als Code in einer Fremdsprache. Nichts hat etwas geholfen.«
»Was ist eigentlich polyalphabetisch?« fragte Hatch.
»Man spricht von polyalphabetischen Geheimschriften. Sie müssen wissen, daß zur Zeit Macallans die meisten Codes auf ziemlich simplen monophonen Substitutionen basierten. Man verwendete dazu zwei Alphabete: ein normales Alphabet und ein Verschlüsselungsalphabet, bei dem die Buchstaben möglichst wild durcheinandergewürfelt waren. Die schrieb man dann untereinander und las für jeden Buchstaben des normalen Alphabets, den man verschlüsseln wollte, sein Pendant im Verschlüsselungsalphabet ab. Wenn zum Beispiel ein S einem Y entsprach, und ein E einem Z, dann las sich das Wort ›See‹ zum Beispiel ›Yzz‹. Im Grunde genommen ist es dasselbe Prinzip, nach dem sich auch die Kryptogramme auf der Rätselseite Ihrer Zeitung lösen lassen.«
»Klingt einleuchtend«, meinte Hatch.
»Das ist es auch, aber leider nicht allzu sicher. Besser ist es da schon; wenn man mehrere verschiedene Alphabete zum Verschlüsseln verwendet. Sagen wir mal, Sie nehmen zehn anstatt nur eines. Wenn Sie nun ihr
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