Riptide - Mörderische Flut
eines Tages mir gehören würde. Ich wußte es.«
Neidelman verstummte und starrte im nur noch schwach flackernden Schein des herunterbrennenden Feuers auf die erkaltete Pfeife in. seiner Hand.
23
Hatch holte Bonterre vor dem Postamt ab und ging mit ihr die steile Kopfsteinpflasterstraße hinunter zum »The Landing«. Es war ein herrlicher, angenehm kühler Abend. Die Wolken hatten sich verzogen, und ein grandioser Sternenhimrnel wölbte sich über dem Hafen. In dieser klaren Nacht erschien Hatch die Stadt mit ihren gemütlichen gelben Lichtern in den Fenstern und über den Hauseingängen wie ein Ort einer vergangenen, aber glücklichen Zeit.
»Ein hübsches Städtchen«, bemerkte Bonterre und hakte sich bei Hatch unter. »Auch Saint Pierre auf Martinique, wo ich aufgewachsen bin, ist hübsch, aber ganz anders! Viel bunter als hier, wo alles so schwarzweiß ist. Und außerdem kann man dort abends eine Menge unternehmen. Da gibt es Nachtclubs, in denen man es richtig krachen lassen kann.«
»Ich mag keine Nachtclubs.«
»Wie langweilig«, meinte Bonterre gutgelaunt.
Als sie das Restaurant betraten, erkannte der Ober Hatch und führte die beiden sofort an einen schönen Tisch. Es war ein gemütliches Lokal mit zwei großen Gästezimmern und einer Bar, die mit Netzen, hölzernen Hummerfallen und grünen Glaskugeln dekoriert war. Nachdem er und Bonterre Platz genommen hatten, blickte Hatch sich um. Ein gutes Drittel der Gäste waren Angestellte von Thalassa.
»Que de Monde!« flüsterte Bonterre. »Es gibt kein Entkommen vor den lieben Kollegen. Ich kann es kaum erwarten, daß Gerard sie alle nach Hause schickt.«
»In einer Kleinstadt ist das nun mal so. Wenn man hier den Leuten entrinnen will, kann man eigentlich nur aufs Meer hinausfahren. Und selbst dann gibt es bestimmt noch jemanden, der einen mit einem Teleskop beobachtet.«
»Dann, ist Sex an Deck tabu«, stellte Bonterre fest.
»Stimmt«, meinte Hatch. »Hier in New England geht man für so was in die Kajüte.« Er sah ihr zu, wie sie amüsiert lächelte, und fragte sich, wie viele Herzen von Neidelmans männlichen Mitarbeitern sie wohl schon gebrochen hatte und wie viele sie noch brechen würde. »Aber nun erzählen Sie mir doch endlich, wobei Sie sich heute nachmittag so schmutzig gemacht haben.«
»Wieso sind Sie nur so auf Schmutz fixiert?« fragte Bonterre mit einem Stirnrunzeln. »Dreck ist der beste Freund des Archäologen.« Sie beugte sich über den Tisch. »Ehrlich gesagt habe ich auf Ihrer schmutzigen kleinen Insel eine Entdeckung gemacht.«
»Und was für eine?«
Bonterre nahm einen Schluck aus ihrem Wasserglas. »Wir haben das Lager der Piraten gefunden.«
Hatch sah sie an. »Machen Sie Witze?«
»Mais non! Heute vormittag haben wir die Wetterseite der Insel untersucht. Kennen Sie die vereinzelte Klippe, die sich etwa zehn Meter von den anderen Felsen entfernt befindet?«
»Sicher.«
»An einer Seite dieser Klippe stießen wir auf einen vertikalen Abbruch, der uns ein perfektes Bodenprofil lieferte. So etwas ist für uns Archäologen geradezu ideal. Dort fand ich eine dünne Holzkohlenschicht, die auf Überreste eines alten Feuers schließen läßt. Wir haben die Stelle vor der Klippe daraufhin mit dem Metalldetektor abgesucht und entdeckten dabei eine Menge interessanter Dinge: Bleischrot, eine Musketenkugel und mehrere Hufnägel.« Bonterre zählte die einzelnen Fundstücke an den Fingern auf.
»Hufnägel?«
»Ja. Die Piraten haben Pferde für die schwere Arbeit eingesetzt.«
»Und wo hatten sie die her?«
»Sind Sie denn wirklich so unbeleckt in Seefahrtsgeschichte, Monsieur le docteur ? Es war damals durchaus üblich, daß man alle möglichen Tiere auf den Schiffen mitführte: Pferde, Ziegen, Hühner, Schweine.«
Der Ober brachte das Essen - Hummer und Muscheln für Hatch und ein blutiges Lendensteak für Bonterre. Die Archäologin machte sich mit beunruhigender Schnelligkeit hochkonzentriert darüber her, und Hatch beobachtete amüsiert, wie ihr dabei der Fleischsaft übers Kinn lief.
»Wie dem auch sei«, fuhr sie fort, während sie ein großes Stück von dem Steak abschnitt und mit der Gabel zum Mund führte, »nach diesen Funden zogen wir einen Sondierungsgraben am Rand der Klippen entlang. Und was, glauben Sie, haben wir entdeckt? Noch mehr Holzkohle, den Abdruck eines runden Zelts und ein paar Wildund Truthahnknochen. Rankin hat so seltsame Sensoren, mit denen er morgen noch einmal über die Stelle gehen will, für
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