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Riptide - Mörderische Flut

Riptide - Mörderische Flut

Titel: Riptide - Mörderische Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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folgte den beiden zurück zur Ausgrabung. Die Arbeiter hatten inzwischen das Planquadrat neben dem mit dem Schädel fertig freigelegt und widmeten sich bereits dem nächsten. Als Hatch hinunterblickte, wich sein Interesse einer seltsamen Beunruhigung. Im zweiten Sektor lagen drei Schädel inmitten eines wild durcheinandergewürfelten Knochenhaufens. Er schaute hinüber zum dritten Planquadrat und sah, wie dort gerade die Arbeiter mit kleinen Bürsten vorsichtig die feuchte Erde von zwei weiteren Totenköpfen entfernten. Vor Hatchs Augen gab der Boden einen Unterschenkelknochen und dann das Sprung- und das Fersenbein eines Fußes frei. Die Stellung der Knochen legte den Schluß nahe, daß man die dazugehörige Leiche mit dem Gesicht, nach unten in das Grab geworfen hatte.
    »Die Zähne fest ins Erdreich geschlagen«, murmelte Hatch.
    »Wie bitte?« fragte St. John verblüfft.
    »Ach nichts. Nur ein Vers aus der ›Ilias‹.«
    Ein Massengrab, dachte Hatch, in das man die Leichen mehr schlecht als recht hineingeworfen hat. Man beerdigt niemanden mit dem Gesicht nach unten, zumindest nicht ehrenhaft. Der Anblick erinnerte ihn an ein anderes Massengrab, das er einmal in Mittelamerika zu begutachten gehabt hatte. Es war voller toter Bauern gewesen, die einer Todesschwadron des dortigen Militärs zum Opfer gefallen waren.
    Selbst Bonterre hatte es die Sprache verschlagen, und ihre Hochstimmung verflog rasch. »Was ist hier bloß passiert?« fragte sie schließlich leise.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Hatch, der plötzlich ein merkwürdiges, eiskaltes Gefühl in der Magengrube verspürte.
    »An den Knochen sind keine Anzeichen von Gewalt zu erkennen.«
    »Gewaltanwendung hinterläßt oft nur ganz subtile Spuren«, entgegnete Hatch. »Aber vielleicht sind die Piraten ja auch an einer Seuche gestorben oder verhungert. Wir sollten die Knochen forensisch untersuchen, dann erfahren wir vielleicht mehr.« Er besah sich noch einmal den grausigen Fund. Immer mehr Knochen kamen jetzt ans Tageslicht und wurden vom leichten Regen abgespült. Manchmal lagen die bräunlichen Skelette sogar in drei Schichten übereinander.
    »Könnten Sie so eine Untersuchung durchführen?« fragte Bonterre.
    Hatch blieb am Rand des Massengrabs stehen und sagte eine Weile nichts. Der Regen, der Dunst und die langsam einsetzende Dämmerung trugen zusammen mit dem traurigen Murmeln der Brandung dazu bei, daß ihm auf einmal alles grau und leblos erschien, so, als habe irgend etwas sämtliches Leben aus der Landschaft gesogen. »Ja«, antwortete er mit Verzögerung.
    Wieder folgte eine lange Pause.
    »Was ist hier bloß passiert?« wiederholte Bonterre schließlich flüsternd ihre eigenen Worte.

26
    In der Morgendämmerung des nächsten Tages kam die Führungsriege der Expedition im Steuerhaus der »Griffin« zusammen. Die Atmosphäre dieser Besprechung war ganz anders als die gedämpfte, demoralisierte Stimmung bei der Konferenz nach Ken Fields Unfall. Heute schien die Luft elektrisch geladen zu sein, und ein Gefühl gespannter Erwartung hatte alle Teilnehmer erfaßt. An einem Ende des Tisches sprach Bonterre mit Streeter über den Transport der bei ihrer Ausgrabung zutage geförderten Gegenstände ins Basislager, wobei der Vorarbeiter ihr schweigend zuhörte. Ihnen gegenüber hockte ein ausgesprochen zerzauster und ungekämmter Wopner, der Christopher St. John aufgeregt und von wilden Handbewegungen begleitet etwas zuflüsterte. Neidelman war noch nicht da. Wie üblich blieb er in seinen Privatgemächern, bis alle anderen sich versammelt hatten. Hatch holte sich eine Tasse heißen Kaffee und einen großen, fettig glänzenden Doughnut, bevor er auf dem Stuhl neben Rankin Platz nahm. Schließlich öffnete sich die Tür am Ende des Steuerhauses, und Neidelman kam aus seiner Kabine herauf. Hatch erkannte sofort, daß er in ebenso guter Stimmung war wie alle anderen Anwesenden. An der Tür blieb er stehen und winkte Hatch herbei. »Ich möchte Ihnen etwas schenken, Malin«, sagte er mit leiser Stimme und drückte ihm ein schweres Stück Metall in die Hand.
    Zu seinem Erstaunen erkannte Hatch die große Golddublone, die Bonterre tags zuvor gefunden hatte. Er sah den Kapitän fragend an.
    »Verglichen mit dem, was Sie am Ende bekommen werden, ist das natürlich unbedeutend«, meinte Neidelman lächelnd. »Aber es ist die erste Frucht unserer gemeinsamen Anstrengungen. Ich wollte sie Ihnen als Zeichen unserer Dankbarkeit überreichen. Dafür, daß Sie eine

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