Riptide - Mörderische Flut
Bereitschaft. Mr. Wopner, Sie überwachen die ganze Aktion von Island One aus und testen dort noch einmal die Leiterkonstruktion. Dr. Magnusen kümmert sich vom Orthanc aus um die Pumpen und alles, was dazugehört.«
Neidelman trat einen Schritt auf den Tisch zu. »Wenn alles nach Plan läuft, dann müßte die Wassergrube morgen um die Mittagszeit trocken sein. Wir überwachen sie so lange mit Sensoren, bis sie sich stabilisiert hat, und schicken erst dann eine Arbeitsgruppe hinunter, die den gröbsten Schutt herausräumen und die Leiterkonstruktion anbringen soll. Dies müßte eigentlich noch im Laufe des morgigen Nachmittags machbar sein, so daß wir übermorgen vormittag zum erstenmal hinabsteigen können.«
Neidelman hielt inne und blickte in die Runde. »Ich muß Sie wohl nicht extra daran erinnern, daß die Wassergrube, wenn sie erst einmal trockengelegt ist, extrem einsturzgefährdet sein wird. Ohne das Wasser lastet nämlich ein sehr viel höherer Druck auf den alten Verstrebungen. Bis wir die alten Holzbalken durch Titanstreben entlastet haben, kann es durchaus sein, daß Teile des Schachtes in sich zusammenfallen. Deshalb wird zuerst ein kleines Team hinuntergehen und an den kritischen Steilen piezoelektrische Drucksensoren anbringen, die Kerry von Island One aus kalibrieren wird. Sollte der Druck auf die Balken plötzlich ansteigen, was vor einem Einsturz der Fall wäre, würden uns die Sensoren rechtzeitig warnen. Wir verbinden sie über Funk mit dem Netzwerk, so daß wir ständig auf dem laufenden sind. Erst wenn dieses Frühwarnsystem steht, werden wir ein Team zum gründlichen Erkunden der Wassergrube losschicken.«
Neidelman stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. »Ich habe lange darüber nachgedacht, aus wem diese allererste Gruppe bestehen soll, aber letztendlich gab es doch keinen Zweifel an ihrer Zusammensetzung. Es werden drei Leute sein: Dr. Bonterre, Dr. Hatch und ich. Bei dieser ersten Begutachtung brauchen wir Dr. Bonterres Wissen über Archäologie, Bodenkunde und Piratenbauweise, und Dr. Hatch muß mit runter, falls bei unserem Ausflug ärztliche Hilfe vonnöten sein sollte. Ich persönlich wiederum nehme mein Recht als Leiter der Expedition wahr, den ersten Blick auf die Wassergrube werfen zu dürfen.«
Ein erwartungsvolles Glitzern flackerte einen Moment lang In Neidelmans Augen auf.
»Ich weiß, daß die meisten, wenn nicht gar alle von Ihnen, ebenfalls darauf brennen, die Wassergrube zu begutachten. Das kann ich voll und ganz verstehen. Und ich versichere Ihnen, daß in den folgenden Tagen jeder von Ihnen die Möglichkeit bekommen wird, sich mit Macallans Schöpfung ausgiebig vertraut zu machen.«
Er richtete sich auf. »Gibt es noch Fragen?«
Im Steuerhaus war es still.
Neidelman nickte. »Wenn das so ist, dann lassen Sie uns an die Arbeit gehen.«
27
Am Nachmittag des darauffolgenden Tages verließ Hatch die Insel in bester Stimmung. Die Pumpen hatten den ganzen Vortag und die Nacht hindurch gearbeitet und Millionen Liter braunen Meerwassers aus der Grube geholt und quer über die Insel zurück in den Ozean transportiert. Nach dreißig Stunden schließlich hatte das Rohr am Grund der Wassergrube in dreiundvierzig Metern Tiefe nur noch Schlamm angesaugt.
Danach hatte Hatch gespannt in seiner Inselpraxis gewartet, aber schließlich hatte man ihn davon in Kenntnis gesetzt, daß der höchste Stand der Flut vorübergegangen sei, ohne daß Meerwasser einen Weg zurück in die Grube gefunden hätte. Neidelman und seine Leute hatten besorgt beobachtet, wie die dicken alten Holzverstrebungen unter der auf einmal sehr viel stärkeren Last geächzt und geknackt hatten, und die seismographischen Sensoren hatten ein paar kleinere Wandbrüche in den angrenzenden Seitenstollen registriert, aber der Hauptschacht hatte gehalten. Nach ein paar Stunden schienen die Verstrebungen sich gesetzt zu haben, und da auch der Kofferdamm weiterhin dicht hielt, konnte nun eine Arbeitsgruppe mit einem magnetischen Greifarm den Schrott aus der Grube holen, der im Lauf der Jahrhunderte dort hineingefallen war und sich an den Balken verfangen hatte.
Nachdem Hatch sein Boot in Stormhaven festgemacht hatte, ging er zur Fischerkooperative und kaufte sich ein Lachsfilet. Danach fuhr er, einem Impuls folgend, in die dreizehn Kilometer südlich gelegene Stadt Southport. Von der Route lA, der alten Küstenstraße, aus sah er fahlgelbes Wetterleuchten am Horizont. Gewaltige, amboßförmige Gewitterwolken
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