Riskante Enthüllung (German Edition)
O h ne James würde ich noch heute erstarrt in diesem Tunnel stehen.
Als wir an dem stummen Zeitzeugen vorbei waren, konnte ich wi e der atmen und ließ James’ Hand los. Er erkundigte sich ob es wieder ginge, was ich ihm dankbar bestätigte. Die Angst war verflogen und das Gefühl der Sicherheit durchströmte mich angenehm warm wie ein heißes Getränk an einem Winte r tag.
„Wir sollten die alten Texte noch einmal durchgehen“, schlug ich vor. „Vielleicht gibt es einen versteckten Hinweis auf einen Tu n nel.“
„Okay. Fangen wir gleich damit an. Aber jetzt können wir nicht mehr schwe i gen. Wir müssen die Arbeiter hier runterschicken.“
Er blieb stehen und beleuchtete sein Kinn von unten, was ihm ein dämon i sches Aussehen gab.
„Aber erst müssen wir den Ermordeten hier rausbringen, sonst wird keiner der abergläubischen Arbeiter einen Fuß hier reinse t zen.“
„Das stimmt. Dann werden wir ihn fachgerecht einsargen und später bringe ich ihn ins Labor des Kairoer Museums. Dort kö n nen die Kollegen ihren Spaß mit ihm haben.“
Ich war gespannt auf die Datierung, die sie vornehmen würden. Aber vorher wollte ich ihn mir noch einmal genauer ansehen, vielleicht trug er ein Amulett oder konnte sonst irgendwie einen Hi n weis geben, der sein Geheimnis verriet.
Endlich am Ende des Tunnels angekommen, ließ James mich zuerst hinaufklettern. Schnell lief ich durch den Tempel und war glücklich wie noch nie, die Sonne wiederzusehen, obwohl sie mich zunächst fast erblinden ließ, bevor sie meine angstkühlen Körpe r teile mit lebendiger Wärme auflud. Die alten Ägypter mussten einen seltsamen und etwas krank anmutenden Thrill dabei em p funden haben, sich in tiefen dunklen Schächten, Tunneln und Grüften aufzuhalten. Andererseits war mir klar, dass es damals kaum Möglichkeiten gab schnell von irgendwo zu verschwinden. Keine Autos, keine Flugze u ge. Sich in Höhlen und Geheimgängen zu verkriechen war eine M e thode, um zu entfliehen.
Im Küchenzelt versorgte ich mich mit Wasser und wusch mir ausgiebig die Hände. Die Vorstellung von Millionen Mikroorg a nismen, die an den Felswänden des Tunnels hausen könnten, wol l te nicht aus meinem Verstand weichen. Würde man alles hoch entwickelte Leben auf diesem Planeten mit einem Schlag ausl ö schen, wären sie noch immer da. Nicht einmal die Zeit konnte Bakterien, Pilzen und anderen winzigen Organismen etwas anh a ben. Mit einer Mischung aus Faszination und Unbehagen hatte ich in einem Labor eine munter wuchernde Pilzzucht in einer Petr i schale bestaunen dürfen, die aus einer fünf bis sech s tausend Jahre alten Spore aus einem Grab im Tal der Könige zu neuem Leben erweckt worden war. Sie hatte nichts anderes als Wärme und Feuchtigkeit ben ö tigt, um zu wachsen und zu gedeihen, als wäre sie erst gestern schlafen gegangen. Mit typisch menschlicher Arroganz bezeichneten wir diesen extrem überlebensfähigen Organi s mus als niedere Lebensform.
Ich ging wieder zurück zum Tempel und beobachtete James beim Einweisen der Arbeiter, die mit Entsetzen darauf reagierten von nun an ihre Arbeit unter Tage zu verrichten. James versicherte ihnen der Tunnel könne nicht einstürzen, da er aus dem massivem Gestein der Jahrmillionen gehauen war, doch ich hatte den Ei n druck sie glaubten ihm kein Wort. Schließlich fanden sich sechs Männer bereit mit Schaufeln und kleinen Wagen zur Geröllbefö r derung ausgestattet, in den Tunnel zu steigen. Doch zuerst hatten wir eine Leiche zu bergen.
Wir zogen Handschuhe über, Mundschutz und weiße Arbeitski t tel zum Schutz vor dem Staub, den das Hochheben des Leichnams aufwirbeln würde. James schickte die Arbeiter wieder an die Gr a bungen oberhalb des Tempels und gestattete ihnen nach reiflicher Überl e gung erst morgen mit der Tunnelarbeit zu beginnen, damit auch sie nichts von dem Mumienstaub in der Luft einatmen mus s ten.
Mit gemischten Gefühlen stieg ich erneut in die Dunkelheit. J a mes ließ eine flache Trage hinab, auf die wir den Körper legen wollten. Ich ging mit der La m pe voran und James nahm die Trage. Endlich erschien das Ziel im Schein meiner Lampe. Ich trat neben den Kö r per und überlegte wie wir es anstellen sollten, ohne dass sich das bröckelige Skelett in ein Mikado-Spiel verwandelte.
„Ich ziehe jetzt ganz langsam das Tuch hier unter ihn und Sie pa s sen auf, dass er an einem Stück bleibt“, schlug James vor.
Er begann das Tuch unter den Verstorbenen zu arbeiten und schob
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