Riskante Geschäfte
eine Flughosteß - das war schon immer meine Meinung«, sagte James Bond. Die Dinner-Party war nicht gerade unterhaltsam gewesen. Nun, nach dem Aufbruch der beiden anderen Gäste, die in Begleitung des Adjutanten gegangen waren, um ihr Flugzeug nach Montreal noch zu erreichen, saßen der Gouverneur und Bond auf dem Chintzsofa des großen, irgendwie dienstlich aussehenden Wohnzimmers und versuchten, Konversation zu machen. Bond fühlte das Lächerliche der Situation. Statt in einem hartgepolsterten Sessel zu sitzen, wie er es liebte, versank er hier in der weichen Polsterung und verlor fast den Boden unter den Füßen. Zu dumm, mit einem betagten Junggesellen auf dessen rosa Chintzbett herumzuhocken, mit Kaffee und Likören auf dem niedrigen Rauchtisch neben den ausgestreckten Beinen! Die Szene hatte etwas Klubartiges, Intimes an sich - sie war unpassend. Überhaupt, Nassau! Alle waren sie zu reich hier! Die Wintergäste wie die ansässigen Hausbesitzer hatten kein anderes Gesprächsthema als ihr Geld, ihre Krankheiten und ihre Dienstbotenprobleme. Nicht einmal der Klatsch war etwas wert, denn es gab einfach nichts, worüber sich's zu klatschen gelohnt hätte. Für Liebesaffären war das Winterpublikum zu alt, und um die lieben Nachbarn auszurichten, war man, wie die meisten reichen Leute, zu vorsichtig. Die Harvey Millers, jenes Paar, das sich soeben verabschiedet hatte, waren dafür typisch: er ein netter farbloser kanadischer Millionär, der schon seit je im Erdgasgeschäft tätig war, sie ein hübsches, schwatzhaftes Geschöpf englischer Herkunft. Neben Bond sitzend, hatte sie in einem fort davon geschnattert, welche Shows er in letzter Zeit gesehen habe, und ob er nicht glaube, daß man im Savoy Grill am nettesten zu Abend esse? Man sehe dort so viele interessante Leute - Schauspielerinnen und dergleichen. Bond hatte sich nach Kräften bemüht, aber da sein letzter Theaterbesuch zwei Jahre zurücklag - er hatte damals in Wien einen Mann beschatten und ihm wohl oder übel ins Theater folgen müssen -, mußte er seine verstaubten Erinnerungen aus dem Londoner Nachtleben hervorkramen, die sich mit denen von Mrs. Harvey Miller nur zum Teil deckten.
Bond war sich bewußt, daß er hier nur pflichtgemäß eingeladen war. Er befand sich jetzt seit einer Woche in der Kolonie und mußte anderntags nach Miami hinüber. Es war bloß ein Stück Routinearbeit gewesen: die Castro-Rebellen erhielten aus allen Nachbarländern Waffenlieferungen, aber das meiste war aus Miami und dem Golf von Mexiko gekommen. Seit aber die U.S.-Küstenwache zwei Schiffsladungen beschlagnahmt hatte, wurden mehr und mehr Jamaika und die Bahamas zu den Hauptnachschubbasen. Bond hatte Auftrag erhalten, das abzustellen. Er hatte diesen Auftrag nur ungern übernommen, denn wenn überhaupt, so sympathisierte er mit den Rebellen. Aber die Regierung wollte ihr großes Exportabkommen mit Kuba nicht gefährden, in dem eine Zusatzklausel England jede Unterstützung der kubanischen Rebellen verbot. Bond aber hatte ermittelt, daß zwei große Kabinenschiffe für den Waffentransport adaptiert worden waren. Statt mit Verhaftungen politische Komplikationen heraufzubeschwören, hatte er es vorgezogen, in einer mondlosen Nacht mit einem Polizeiboot längsseits zu kommen und in jedes der Schiffe eine Thermitbombe zu werfen. Von fern hatte er sich das Freudenfeuer angesehen, nicht ohne mitfühlend der Versicherungsgesellschaften zu gedenken. Aber es gab kein Opfer, und so war rasch und glatt erledigt, was M ihm aufgetragen hatte.
Soviel Bond wußte, kannte außer dem Polizeichef und zwei seiner Beamten niemand in der Kolonie den Urheber jenes so spektakulären und - für die Eingeweihten - so zeitgerechten Schadenfeuers auf der Reede. Bond selbst hatte nur an M nach London berichtet. Er hatte den Gouverneur aus dem Spiel
gelassen, da ihm schien, dieser sei zu leicht in Verlegenheit zu bringen. Es wäre aber unklug gewesen, es bis zu einer Anfrage im Parlament kommen zu lassen. Jedoch der Gouverneur war kein Dummkopf. Er wußte recht gut, weshalb Bond sich in der Kolonie aufhielt, und so übertrug er an diesem Abend die Abneigung, die er gegen Gewaltakte hegte, auf Bonds Person. Das war der Dinner-Party nicht förderlich gewesen, und es hatte der ganzen Bemühung des schwergeprüften Adjutanten bedurft, um den Abend wenigstens notdürftig zu retten. Jetzt aber war es erst neun Uhr dreißig, was eine weitere Stunde des
Höflichkeitsaustausches
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