Riskante Geschäfte
mit liberalen Ideen, und obwohl er nicht fraternisierte, was ihn damals« - der Gouverneur lächelte gezwungen - »bei seinen Vorgesetzten noch in Ungnade gebracht hätte, war er gegen die Nigerianer nachsichtig und menschlich. Das war ihnen ziemlich neu.« Der Gouverneur machte eine Pause und sog an seiner Zigarre. Die Asche war im Begriff abzufallen, er beugte sich behutsam vor und ließ sie in seine Kaffeetasse zischen. Dann lehnte er Eich zurück und blickte zum erstenmal auf Bond. »Man könnte sagen, die Sympathie dieses jungen Menschen für die Eingeborenen war nur ein Ersatz für jene, die man unter normalen Umständen dem schönen Geschlecht entgegenbringt. Nun war Philip Masters aber ein schüchterner, wohl auch linkischer junger Mann, der in dieser Hinsicht noch keinerlei Erfolge gehabt hatte. Wenn er nicht gerade fürs Examen zu arbeiten hatte, spielte er Hockey im College-Team oder ruderte in dessen drittem Achter. Die Ferien verbrachte er in Wales bei seiner Tante und unternahm mit dem dortigen Gebirgsverein Kletterpartien. Seine Eltern hatten sich schon während seiner Mittelschulzeit voneinander getrennt. Obwohl er ihr einziges Kind war, kümmerten sie sich nicht mehr um ihn, seit er sein Oxford-Stipendium erworben hatte. So blieb ihm für Mädchen nur sehr wenig Zeit und auch sehr wenig anderes, was einen jungen Burschen für sie interessant macht. Sein Gefühlsleben verlief so ungesund und frustriert, daß es eher in die Viktorianische Epoche gepaßt hätte. So dürfte also seine Zuneigung zu den Farbigen in Nigeria nichts als die Kompensation einer kräftigen, nach Gegenliebe hungernden Natur gewesen sein.«
Bond unterbrach diese gespreizte Rede: »Nur schade, daß diese hübschen Negerweiber keine Ahnung von Empfängnisverhütung haben! Hoffentlich ist ihm da nichts passiert!« Der Gouverneur hob abwehrend die Hand. Bonds Ausdrucksweise war ihm offensichtlich zu direkt.
»Nein, nein! Sie mißverstehen mich! Ich spreche nicht von solchen Dingen! Es wäre diesem jungen Mann nie eingefallen, Beziehungen mit Farbigen aufzunehmen - dazu war er in sexuellen Dingen viel zu ahnungslos. Dergleichen ist ja auch heute noch in England nicht eben selten. Damals aber war das alltäglich und, wie Sie mir wohl beistimmen werden, der Grund für viele, sehr viele unglückliche Ehen und sonstige Tragödien.« Bond nickte. »Ich will Ihnen damit nur klarmachen, daß das, was dann passierte, einen enttäuschten, unschuldigen Jungen traf, der in seiner gesellschaftlichen Unbeholfenheit bei den Negern suchte, was er in seiner eigenen Umwelt hätte finden müssen. Mit einem Wort, er war ein sensibler Eigenbrötler, physisch ohne jeden Anreiz, aber in jeder anderen Hinsicht gesund und leistungsfähig - ein vollwertiger Bürger.«
Bond trank von seinem Kognak und streckte die Beine. Die
Geschichte begann ihm zu gefallen. Die altmodische Erzählweise des Gouverneurs machte sie nur noch authentischer. Der Gouverneur fuhr fort: »Masters' Nigeriadienst fiel in die Zeit des ersten Labour-Kabinetts. Sie erinnern sich -eine seiner ersten Maßnahmen war die Reform der Kolonialverwaltung. Nigeria erhielt einen neuen, fortschrittlichen Gouverneur, der überrascht und erfreut war, in seinem Stab schon jemanden vorzufinden, der in seinem kleinen Wirkungskreis etwas wie des Gouverneurs eigene Ansichten in die Tat umsetzte. So ermunterte er Philip Masters, betraute ihn mit Aufgaben, die seinem Rang gar nicht zukamen, und schrieb ihm, als Masters nach einiger Zeit versetzt werden sollte, eine so glänzende Beurteilung, daß Masters einen Rang übersprang und als zweiter Regierungssekretär nach Bermuda kam.«
Der Gouverneur sah durch den Zigarrenrauch auf Bond und sagte, sich entschuldigend: »Hoffentlich langweile ich Sie nicht allzu sehr. Ich komme bald auf den Kern der Sache.«
»Nicht im geringsten! Ich sehe den Mann förmlich vor mir. Sie müssen ihn gut gekannt haben! «
Der Gouverneur zögerte, dann sagte er: »Auf Bermuda habe ich ihn noch besser kennengelernt. Ich war dort sein unmittelbarer Vorgesetzter - aber noch sind wir in Afrika! Damals gab es schon die ersten Flugverbindungen dorthin, und Philip Masters beschloß, nach London zu fliegen und so seinen Heimaturlaub zu verlängern. Mit dem Zug fuhr er bis Nairobi und erreichte die wöchentliche Maschine der Imperial Airways -der Vorläufer von BOAC. Er war nie vorher geflogen, es interessierte ihn, aber als sie aufstiegen und ihm die Flughosteß, die sehr hübsch
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