Riskante Liebe
unterbrochen. Ich schüttelte den Kopf.
»Aber Jolaria, ich kann doch nicht ewig im Wald bleiben. Außerdem war es höchste Zeit für mich, zurückzukommen, um dich zu pflegen. Du liegst hier ganz allein. Kümmert sich denn keine um dich?«
Sie machte eine abwehrende Handbewegung.
»Sie sehen ab und zu nach mir, bringen mir zu essen und zu trinken. Aber ich habe keinen Hunger. Mein Hals schmerzt zu sehr, um etwas essen zu können. Ich bin müde und will nur schlafen.«
Dann drückte sie mit erstaunlicher Kraft meine Hand.
»Kind, du warst so glücklich. Warum hast du dieses Glück aufgegeben?«
Ich starrte sie ungläubig an. Woher wusste Jolaria dies? War sie uns in den Wald gefolgt? Aber laut Seratta lag sie schon seit Tagen krank in der Hütte. Ich schluckte. Ihre Bemerkung hatte die Erinnerungen, die ich so gut verdrängt hatte, wieder als wunderschöne Bilder in meinen Kopf zurückgebracht und sie taten mir ungeheuer weh.
»Jolaria, wovon red est du? Ich war im Wald auf der Jagd. Und nun bin ich wieder da. Ich werde dir eine nahrhafte Fleischbrühe kochen. Die kannst du warm trinken.«
Ihre Augenlider flatterten und fielen wieder zu, als ich sie mit verklingender Stimme murmeln hörte:
»Ich muss von dir getr äumt haben. Dein Gesicht sah so fröhlich und ausgelassen aus wie noch nie, seit du bei mir bist … «
Nachdenklich kochte ich die Kräuter und zerlegte danach den Rehbock. Ich setzte die Fleischbrühe an, schabte die abgehäutete Rehdecke, so gut es ging, ab und nahm sie mit zum Fluss, wo ich sie auswusch. Ich tauchte auch selbst rasch unter und rieb mir den größten Schmutz vom Leib, bevor ich wieder zu Jolaria zurückeilte. Tarisa lächelte mir entgegen, als ich eintrat. Ich sah gerührt, dass sie einen Tonkrug voll mit frischem Quellwasser neben Jolarias Lager abgestellt hatte. Sie stand auf.
»Gut zu wissen, dass du dich nun um sie kümmerst. Sie war mit Seratta und zwei der Wächterinnen, die ebenfalls krank wurden, unablässig beschäftigt, ist die ganze Nacht zwischen den Hütten hin und hergeeilt und war schweißnass. Am darauffolgenden Tag hat sie schon gehustet und es ging ihr nicht gut. Aber du kennst sie ja. Sie hat ihre eigenen Beschwerden nicht beachtet und ist trotz des heftigen Gewitters in der Nacht nach draußen gegangen, um außer Seratta auch Lania und Karoa zu versorgen. Denen geht es mittlerweile wieder gut, aber am Morgen ist Jolaria zusammengebrochen.«
Dann wies sie auf die Fleischstücke hinter mir.
»Seratta schickt mich, ich soll deine Jagdbeute abholen und zur Feuerstelle bringen. Du bist auch zum Essen eingeladen, soll ich dir sagen.«
Ich verspürte keinerlei Lust, im Beisein der anderen irgendetwas zu mir zu nehmen. Meine Kehle war wie zugeschnürt, da die seltsame Bemerkung Jolarias mich erneut an die wunderschöne Zeit mit Drake und meinen grenzenlosen Kummer erinnert hatte. Ich blieb viel lieber hier bei Jolaria, würde mich um sie kümmern, ihr von der Brühe geben, wenn sie erneut aufwachte, und ansonsten still auf meinem Lager liegen und mir die letzten, glücklichsten Tage meines Lebens vor Augen führen. Es tat unendlich weh, sich an zärtliche Stunden, liebevolle Worte und Versprechen zu erinnern, und gleichzeitig um das „Nie wieder“ zu wissen. Aber ich wollte mich erinnern, denn ich hatte schreckliche Angst, unsere gemeinsame Zeit und vor allem ihn, zu vergessen.
In den folgenden Tagen und Monden arbeitete ich tagsüber unablässig. Ich pflegte Jolaria, der es ganz langsam ein klein wenig besser zu gehen schien, obwohl sie immer noch sehr schwach war und ih r Lager nicht verlassen konnte und ging, wenn sie schlief, zum Kräutersammeln. Ich suchte auch frische Beeren, Nüsse und Wurzeln, die ich zu einem schmackhaften Brei zerkleinerte und ihr täglich morgens nach dem Erwachen brachte, und schoss nebenbei mit der Schleuder kleinere Tiere. Ich dachte nicht daran, diese Nahrung mit den anderen zu teilen. Sollte Seratta doch zusehen, wie sie an Fleisch kam. Sie hatte sich von Jolaria gesund pflegen lassen, um diese dann ihrem Schicksal zu überlassen. Wäre ich nicht zurückgekehrt, wäre meine Hüttengefährtin längst gestorben.
Abends fiel ich todmüde auf mein Lager und freute mich ungeheuer aufs Einschlafen. Denn dann begannen die Träume von mir und Drake. Sie waren so greifbar, dass ich ein paar Stunden lang glücklich sein durfte. Im Morgengrauen erwachte ich, tastete nach seinem warmen Körper neben mir und das Glücksgefühl in meinem
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