Riskante Liebe
Bauch sank in sich zusammen wie ein gefällter Baum, wenn ich begriff, dass er unwiderruflich fort war. Mit aller Kraft schob ich dann die Erinnerungen und Träume weg, konzentrierte mich nur auf den vor mir liegenden Tag, und je näher der Abend und damit der ersehnte Schlaf rückten, desto leichter wurde mir zumute. Den ersten Mondzyklus lang ließ mich Seratta erstaunlicherweise in Ruhe.
Das Einzige, über was ich mich – außer den Träumen von und mit Drake – freute, war die heimliche Verbundenheit, die einige der Dorfbewohnerinnen mit Jolaria und mir unerwarteterweise zeigten. Sie kamen heimlich, damit unsere Anführerin nichts davon bemerkte, halfen mir und brachten kleine Geschenke mit: Schalen, Becher, bereits zubereitete Nahrung, wilde Beeren oder neue Decken und selbstgefertigte Kleidungsstücke. Ich lernte einige von ihnen von ganz neuen Seiten kennen, wenn wir uns leise an Jolarias Lager unterhielten. Obwohl sie mitbekamen, dass ich für mich und Jolaria jagte, erfuhr Seratta nichts davon. Aber sie wagten es nicht, auch nur ein Wort gegen sie zu sagen. Die Angst vor einer ihrer grausamen Strafen war zu groß.
Eines Vormittags war Tarisa zu mir hereingehuscht und half mir, Jolaria zu waschen. Wir waren gerade fertig und hatten ihr Lager so gut es ging, frisch gemacht, als Seratta hereinpolterte. Sie übersah mich und Jolaria völlig und deutete anklagend auf Tarisa, die leichenblass geworden war.
»Wieso bist du hier, Tarisa? Ich kann mich nicht erinnern, dir befohlen zu haben, dass du in diese Hütte gehen sollst. Hast du keine Arbeit mehr? Du darfst ab morgen gerne den Relianten helfen, Latrinen auszugraben, wenn dir langweilig ist.«
Ich wusste, dass Tarisa, wie die meisten von uns, schreckliche Angst vor den Männern hatte und auf keinen Fall in ihrer Nähe arbeiten wollte. Es war eine von Serattas besonders harten Strafen, ungehorsame Frauen zur gemeinsamen Arbeit mit den Relianten einzuteilen. Die Arbeiten waren körperlich schwer, anstrengend und oft genug ekelerregend.
Darüber hinaus stellte es für die Männer eine willkommene Abwechslung dar, einmal nicht nur von Frauen bedroht zu werden, wie sie es von den Wächterinnen gewohnt waren, sondern eine in ihrer Mitte zu haben, die ebenso wie sie drangsaliert wurde. Sie genossen es, diese bedauernswerten Frauen ebenfalls mit Worten zu bedrohen und wurden auch handgreiflich, bis die Wächterinnen einschritten. Und je nach Sympathie für das bedauernswerte Opfer griffen die Wächterinnen willkürlich früh oder erst, wenn es fast zu spät war, ein.
Ich hatte Mitleid mit Tarisa, die zu zittern begonnen hatte, verachtete mich für den unterwürfigen Ton und die Verneigung vor Seratta, wusste aber, dass dieses Verhalten notwendig war, um sie vielleicht beschwichtigen zu können.
»Anführerin, ich bitte dich um Verzeihung. Es ist meine Schuld, dass Tarisa hier ist. Ich wollte Jolarias Lager auffrischen und sie waschen. Das ist für eine Frau allein schwierig. Deshalb ging ich zu Tarisa gegenüber und bat sie, mir nur kurz zu helfen.« Noch bevor Seratta antworten konnte, fuhr ich fort: »Ich weiß, dass ich zuerst dich um Erlaubnis hätte fragen müssen … «
Noch bevor ich weitersprechen konnte, ertönte die schwache Stimme Jolarias, die durch unsere Unterhaltung aufgewacht sein musste.
»Veeria hatte keine Zeit, dich zu suchen, Seratta, da ich mich beschmutzt habe.«
Mit Abscheu blickte Seratta zu Jolarias Lager, nickte der Kranken kurz zu, dann schweiften ihre Augen zu Tarisa und mir.
»Ich werde – ausnahmsweise – Gnade vor Recht ergehen lassen.«
Tarisa atmete sichtlich auf und bedankte sich überschwänglich. Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, sie zu fragen, wofür sie eigentlich dankbar war. Dafür, dass sie Hilfe geleistet hatte und von einer völlig ungerechtfertigten Strafe verschont blieb? Seratta sprach mit wichtiger Miene weiter.
»Ich erkenne, dass Veeria allein , mit der Pflege Jolarias, überfordert ist. Morgen werde ich ein Mädchen aus dem Kinderhaus, die ihren zwölften Sommer erreicht hat, zu euch schicken. Da diese Hütte für drei Frauen zu klein ist, wird sie bei Tarisa wohnen. Veeria, du wirst ihr alles, was du über die Heilkunde weißt, beibringen, für den Fall, dass Jolaria nicht mehr gesund wird. Und du hast mit ihrer Unterstützung auch wieder Zeit, für uns auf die Jagd zu gehen.«
Mit diesen Worten verließ sie die Hütte und ich hörte, wie sie zu den draußen auf sie wartenden Wächterinnen
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