Riskante Liebe
erleichtert, von innen das unheilverkündende rasselnde Husten zu vernehmen. Ich wollte eben hineinschlüpfen, als sich eine Hand mit einem Speer durch den Spalt zwischen Fell und Türöffnung schob, und Seratta vor mir stand. Sie zuckte ebenso wie ich zusammen, fasste sich aber rasch und deutete sofort auf meine Beute.
»Ah , Veeria. Gut, dass du endlich wieder da bist. Ist das alles, was du in den letzten Tagen erbeutet hast? Ich hoffe nicht, denn wir alle haben großen Hunger.«
In diesem Moment hasste ich sie abgrundtief. Kein Wort über Jolarias Krankheit, von der ich ja nichts wissen konnte, kam über ihre Lippen. Stattdessen sorgte sie sich lediglich um ihre Fleischrationen. Ich neigte den Kopf vor ihr, obwohl ich ihr liebend gerne einen Schlag versetzt hätte, und antwortete, allerdings in einem kühlen und ganz und gar nicht dem respektvollen Ton, den sie forderte:
»Ich war ebenfalls krank, Seratta. Ich hatte dieselben Beschwerden wie du und lag tagelang allein im Wald in einem hohlen Baum. Obwohl mich keiner versorgt und gepflegt hat, bin ich seit heute Morgen wieder einigermaßen bei Kräften. Dieser Rehbock ist mir zum Glück vor kurzer Zeit über den Weg gelaufen, sonst wäre ich mit völlig leeren Händen gekommen.«
Ich sah, wie sich ihre Lippen zu einem schmalen Strich aufeinanderpressten. Noch bevor sie mir eine Rüge erteilen konnte, wies ich mit der Hand auf den Eingang.
»Ist Jolaria da drin? Ich würde sie gern begrüßen.«
Serattas Miene wurde boshaft. Sie wusste etwas, was mich betroffen machen würde und kostete ihre Mitteilung aus.
»Ja, Jolaria ist da. Aber Veeria, sie hätte deine Anwesenheit schon viel früher benötigt. Sie ist sehr krank, muss versorgt werden und wir alle wissen nicht, ob sie überleben wird. Bring deine Beute zum Dorfplatz, dann kannst du nach ihr sehen.«
Glühender Zorn schoss in mir hoch. Sie wollte tatsächlich das Fleisch und Fell des Rehbocks für die Allgemeinheit beanspruchen, obwohl sie genau wusste, wie wichtig Nahrung und Decken für unsere kranke Heilerin waren. Und ich durfte nicht einmal sofort in die Hütte, sondern sollte erst ins Dorf, zu den anderen, die mich überhaupt nicht interessierten. Ich dachte nicht daran, Serattas Anweisung Folge zu leisten. Stattdessen schob ich mich, noch bevor sie es verhindern konnte, einfach an ihr vorbei in die Hütte und erklärte über meine Schulter hinweg:
»Ich sehe erst nach Jolaria. Ich werde ihr sofort eine kräftige Fleischbrühe kochen, damit sie wieder zu Kräften kommt und vermutlich wird sie eine Decke brauchen, die ich ihr aus dem Fell mache. Wenn ich das Tier zerlegt habe, kann eine der Frauen bei mir die übrigen Teile abholen.«
Statt einer Antwort hörte ich sie wütend davonstapfen.
Ich war selbst über meinen Mut und über die Tatsache, dass ich damit bei ihr durchkam, erstaunt. Noch vor einigen Tagen wäre ich eher gestorben, als so mit ihr zu reden. Aber außer Jolaria war mir nun alles egal, und um sie würde ich kämpfen wie ein Luchsweibchen um ihren Nachwuchs.
Im Inneren herrschte stickige, verbrauchte Luft. Ich ließ den Rehbock in einer Ecke zu Boden gleiten. Um ihn würde ich mich kümmern, sobald ich nach Jolaria gesehen hatte. Dann trat ich zu der nach wie vor unruhig schlafenden Kranken und deckte sie sanft zu. Sie sah noch schlechter aus als heute Morgen und wie mir schien, hatte sich ihr Husten verschlimmert. Immerhin stand diesmal ein voller Wasserbecher neben ihr. Ich roch daran. Es war Tee aus Kamille und Minze. Aber er würde bei ihrer Krankheit lediglich den Durst lindern, nicht aber die Beschwerden, die sie hatte. Aus ihrem Vorrat an Trockenkräutern suchte ich Weidenrinde gegen Fieber und Schmerzen sowie Spitzwegerich und Thymian gegen das quälende, sie anstrengende Bellen, von dem ihr mager gewordener Körper in kurzen Abständen geschüttelt wurde. Ich schlug den Fellvorhang am Eingang zurück, um etwas von der abendlichen Brise, die aufgekommen war, herein zu lassen. Während ich auf der Feuerstelle Wasser kochte, hörte ich Jolaria plötzlich mit schwacher Stimme rufen:
»Seratta, bist du das? Habt ihr nach Veeria gesucht?«
Rasch trat ich zu ihr. Ihre fiebrig-glänzenden Augen weiteten sich, als sie mich erkannte. Mühsam versuchte sie, sich auf ihren Armen aufzustützen. Ich ergriff ihre Hand und hockte mich neben sie. Sie sah mir, betrübt wie mir schien, ins Gesicht.
»Veeria, Kind. Du hättest nicht wiederkommen dürfen«, flüsterte sie, von Keuchen
Weitere Kostenlose Bücher