Riskante Nächte
Initialen ausgewiesen waren. Die Briefe in dem Umschlag trugen die Unterschrift einer jungen Lady.
Er steckte die Notizbücher, Briefe und Geschäftspapiere in verschiedene Taschen, die innen in seinen Mantel eingenäht waren. Dann wandte er sich den Schmuckbeuteln zu und schnürte einen nach dem anderen auf. Die ersten drei enthielten verschiedene, mit Diamanten, Perlen und farbigen Edelsteinen besetzte Armbänder, Ohrringe und Halsketten. Alle Stücke waren modern gearbeitet. Sie hatten zweifellos der ersten Mrs. Hastings gehört, die für ihren erlesenen Geschmack berühmt gewesen war. Anthony griff nach dem vierten Beutel und schüttelte den Inhalt in seine Handfläche. Mondschein funkelte auf einem goldenen, mit Smaragden und Brillanten besetzten Collier. Stil und Fassung waren altmodisch und Anthony bestens vertraut.
Eine grimmige Erregung packte ihn. Er hatte erwartet, heute Abend einige Antworten zu finden. Doch hatte er nicht zu hoffen gewagt, dass ihm solches Glück beschieden wäre.
Er ließ das Geschmeide zurück in den Beutel gleiten, schnürte ihn wieder zu und steckte ihn in eine der Manteltaschen.
Die anderen drei Beutel warf er zurück in den Tresor, dann schloss er die Tür und verriegelte sie. Zu guter Letzt schlug er die Teppichecke wieder um. Es ließ sich nicht sagen, wie bald Hastings den Inhalt seines Apollos überprüfen würde, doch wenn er es tat, würde ihn ein wohlverdienter Schreck durchfahren. Kein gewöhnlicher Dieb ließe einen Großteil des Schmucks zurück. Sobald Hastings erkannte, was genau verschwunden war, würde er wissen, dass ihm jemand auf den Fersen war. Mit etwas Glück würde er gewaltig nervös werden.
Anthony ging zur Tür und lauschte angestrengt.
Draußen im Flur knarrte ein Dielenbrett. Dem ersten Knarren folgte ein zweites, diesmal näher. Jemand kam den Flur herab auf das Schlafzimmer zu. Höchstwahrscheinlich einer der Leibwächter. Würde er die Tür zum Schlafzimmer seines Arbeitgebers öffnen, oder war jener Raum tabu? Es ließ sich nicht sagen, wie gewissenhaft Quinby und Royce waren, doch so wie Anthony Hastings kannte, würde er den beiden Männern kaum erlauben, sein privates Reich zu betreten.
Im Flur ertönten heisere Stimmen. Ein Mann flüsterte. Es klang eindringlich, drängend. Eine Frau antwortete, ihre Stimme ebenso leise und begehrlich.
Hastings hatte offenkundig einen seiner weiblichen Gäste mit hinauf zu seinem Schlafzimmer gebracht, während sich seine junge Braut pflichtgetreu um den Ball kümmerte. Diese Handlungsweise bestätigte Louisas bereits abschätzige Meinung über Hastings’ Charakter. Doch die Empfindsamkeiten der sehr neuen Mrs. Hastings waren nicht Anthonys oberste Sorge. Er musste aus dem Zimmer verschwinden.
Es gab zwei Möglichkeiten: Das Fenster und die Verbindungstür zu Mrs. Hastings’ Schlafzimmer. Anthony entschied sich für letztere. Wenn er auf den Fenstersims hinauskletterte, fände er vielleicht kein anderes unverriegeltes Fenster, durch das er wieder ins Haus einsteigen konnte.
Seine Hand lag bereits auf der Klinke, als er hörte, wie im angrenzenden Schlafzimmer die Tür aufging. Er erstarrte und lauschte angestrengt, während das Pärchen hereinkam.
»Es ist so verflucht riskant, Lilly. «
»Hastings und seine Gäste haben heute Abend allesamt viel zu tief ins Champagnerglas geschaut. Niemand wird merken, dass du und ich für eine Weile verschwunden sind. Außerdem ist dieses Treffen doch wohl kaum riskanter als unsere früheren, bevor ich zu dieser abscheulichen Ehe gezwungen wurde. «
»Aber wenn uns jemand überrascht …«
»Liebling, ich habe mich so nach dir gesehnt. Die vergangenen Wochen waren ein Albtraum. Nimm mich in deine Arme. «
Das laute Rascheln von schweren Röcken und leidenschaftliches Stöhnen folgten.
»O Gott, Lilly. Du machst dir keine Vorstellung, wie sehr ich gelitten habe. Jede Nacht liege ich wach und sehe dich vor meinem inneren Auge in Hastings’ Bett. Die Vorstellung treibt mich allmählich in den Wahnsinn. «
»Quäl dich nicht, mein Liebling. Er war außerstande, in unserer Hochzeitsnacht die Ehe zu vollziehen, und er hat mich seitdem nicht angerührt. «
»Hastings ist impotent?«
»Er sagt, es wäre meine Schuld. Er behauptet, ich verstünde seine speziellen Bedürfnisse nicht. Ich glaube, er geht anderswohin, um diese Bedürfnisse zu befriedigen, und ich bin von Herzen dankbar dafür, glaube mir. «
»Ich ebenso. «
Anthony ließ die Klinke los und schlich
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