Riskante Nächte
allerdings, einen Plan parat zu haben, wenn ich Ihnen morgen meine Aufwartung mache.«
»Sie wollen mich morgen im Arden Square besuchen?«, fragte sie, schlagartig misstrauisch.
»Natürlich.« Anthonys Lächeln war gefährlich undurchsichtig. »Schließlich muss ich noch das Honorar für meine heutigen Dienste einfordern.«
5
Anthony schloss auf und betrat das unbeleuchtete Patrizierhaus. Es war niemand da, um ihm die Tür zu öffnen. Von seinen wenigen Dienstboten erwartete er nicht, dass sie bis zu seiner Heimkehr aufblieben.
Er ging in die Bibliothek und warf seinen schweren Mantel achtlos über die Rückenlehne eines Sessels. Dann zog er seinen Frack aus, löste den Knoten seiner schwarzen Fliege und knöpfte den steifen Kragen seines Hemds auf.
Er legte die Dinge, die er aus dem Tresor genommen hatte, auf einen Tisch neben einem Lesesessel und schenkte sich einen Brandy ein. Nachdem er einen tiefen Schluck getrunken hatte, ließ er sich in den Sessel sinken, nahm sich eine Handvoll Geschäftsunterlagen und begann zu lesen.
Zwanzig Minuten später hegte er keinen Zweifel mehr daran, womit er es zu tun hatte. Die Papiere waren die Bestätigung der Gerüchte, die er in seinen Klubs aufgeschnappt hatte. Elwin Hastings hatte ein weiteres Finanzkonsortium ins Leben gerufen. Daran war nichts Überraschendes. Hastings war in den vergangenen Jahren an einer Reihe von finanziellen Unternehmungen beteiligt gewesen. Das wirklich Ungewöhnliche an diesem speziellen Konsortium war die Identität eines der Mitglieder.
Anthony leerte sein Brandyglas, stand auf und schenkte sich nach. Es war spät, doch er verspürte keine Eile, zu Bett zu gehen. Er wusste, wenn er schließlich einschlief, würde er von Fiona Risby träumen. Doch er würde nicht die schöne, sprühende junge Frau sehen, die sie im Leben gewesen war; er würde sie so sehen, wie sie gewesen war, als man sie aus dem Wasser zog …
Er nahm das Collier aus dem Samtbeutel und betrachtete es. Eine der beiden Fragen, die ihn während der vergangenen vierzehn Monate nicht losgelassen hatten, war nun mit unumstößlicher Endgültigkeit beantwortet worden, zumindest, soweit es ihn betraf. Fiona hatte nicht Selbstmord begangen. Hastings hatte sie ermordet.
Doch die zweite Frage blieb bestehen. Er musste herausfinden, warum Fiona gestorben war. Und vor allem, ob es sein Verschulden war, das sie in die gefährliche Lage gebracht hatte, die zu ihrem Tod führte.
Er trank einen weiteren Schluck Brandy. In seinem Kopf nahm nach und nach ein Plan Gestalt an.
Einige Zeit später ging er zu Bett. Zu seiner Überraschung war es nicht die Erinnerung an Fionas Leiche, die durch seine Träume geisterte; es war Louisa Bryces Gesicht, das er sah. Sie blickte ihn durch den unsichtbaren Schleier ihrer Brille an, wachsam und geheimnisvoll. In seinem Traum jagte er sie durch ein endloses Labyrinth von Korridoren, wohl wissend, dass er nicht anhalten konnte, bis er nicht all ihre Rätsel gelüftet hatte.
6
Der Albtraum begann, wie er immer begann …
Von unten ertönt ein dumpfes Krachen. Das Geräusch dringt aus dem Hinterzimmer des Ladens herauf. Das neue Schloss, das sie letzte Woche eingebaut hat, ist gerade aufgebrochen worden.
Schlagartig gefriert ihr das Blut in den Adern. Sie ist wie gelähmt vor Angst. Ihr Herz rast. Panik schnürt ihr die Eingeweide zusammen. Kalter Schweiß lässt ihr das Nachthemd am Körper kleben. Sie klammert sich an die Steppdecke, als wäre es ein Schild.
Eiserne Angeln knarren. Die Tür geht auf. Das Ungeheuer ist im Laden.
Er ist gekommen, um sie zu überfallen. Den letzten Monat über hat sie mit der wachsenden Angst gelebt. Heute Nacht sind ihre schlimmsten Befürchtungen wahr geworden.
Sie muss sich rühren. Sie kann nicht hier im Bett kauern wie ein verängstigtes Kind und darauf warten, dass der Teufel sie findet.
Die unterste Stufe knarrt unter dem Gewicht eines schweren Fußes in Stiefeln. Er versucht nicht einmal, sich lautlos anzuschleichen. Sie soll wissen, dass er auf dem Weg zu ihr ist.
Sie muss sofort aus dem Bett aufstehen oder alle Hoffnung ist verloren. Schreien hat keinen Zweck. Nebenan ist niemand, der sie hören könnte. Sie ist nicht einmal sicher, ob sie überhaupt um Hilfe rufen könnte. Die Angst hat nicht nur ihren Körper, sondern auch ihre Stimmbänder gelähmt.
Sie zwingt sich, sich auf den verzweifelten Plan zu konzentrieren, den sie vor einigen Tagen ersonnen hat. Ihre Gedanken auf etwas anderes als
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