Riskante Nächte
auszusetzen.
»Zweitens«, sagte Elwin, »möchte ich jemanden engagieren, der ein Auge auf einen Mann names Thurlow hat. Thurlow wohnt in der Halsey Street. Ich gehe davon aus, Sie kennen jemanden, der für eine solche Aufgabe geeignet wäre?«
Quinby zuckte wieder die Achseln.
Royce räusperte sich. »Es gibt da einen Mann namens Schleicher, der vielleicht infrage käme.«
9
Kurz vor vierzehn Uhr an jenem Nachmittag schlug Messing mit Präzision und unerschütterlicher Autorität auf Messing. Jemand stand vor der Haustür und verlangte Einlass. Erwartete Einlass.
Louisas Herz tat einen Sprung. Sie versuchte vergebens, die Erregung zu unterdrücken, die all ihre Sinne vibrieren ließ und ihr Schmetterlinge im Bauch bescherte. Konzentrier dich auf das Geschäft! Lass dich nicht ablenken!
Mrs. Galt eilte an der offen stehenden Tür des Arbeitszimmers vorbei und wischte sich die Hände an der Schürze ab.
Emma erschien in der Tür. Sie trug ein altes Kleid, das sie immer anzog, wenn sie im Wintergarten arbeitete. In ihren Augen blitzte freudige Erwartung.
»Ich vermute, das wird Ihr Mr. Stalbridge sein«, sagte sie.
»Er ist nicht mein Mr. Stalbridge.« Louisa legte sehr betont ihren Federhalter beiseite, um zu zeigen, wie kühl und gefasst sie war. »Doch, ja, ich könnte mir vorstellen, dass er es ist. Er sagte, er käme heute Nachmittag her, um sein Honorar abzuholen.«
Emma stieß einen leisen amüsierten Laut aus. »Als ob ein Stalbridge Ihr Geld bräuchte. Ich bezweifle doch sehr, dass er deswegen hier ist.«
Die Haustür ging auf. Eine gedämpfte Männerstimme hallte aus dem Vestibül herüber. Louisa spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten und ein wohliger Schauder über ihren Körper lief. Beruhige dich! Dies ist ein geschäftsmäßiges Arrangement, keine Liebesaffäre.
Einen Augenblick später erschien Mrs. Galt mit einer angemessen beeindruckten und eindeutig neugierigen Miene.
»Ein Mr. Stalbridge möchte Sie sprechen, Mrs. Bryce«, verkündete sie. »Er sagt, er würde erwartet.«
Mrs. Galt hat allen Grund, neugierig zu sein, dachte Louisa bei sich. Bislang war der einzige Gentleman, der regelmäßig in Nummer zwölf Arden Square zu Besuch kam, Mr. Rossmarten, Emmas fünfundsechzigjähriger Bewunderer aus dem Verein der Gartenfreunde. Die beiden verband eine gemeinsame Leidenschaft für Orchideen. Bei allem, was sie über Emmas abenteuerliche Vergangenheit wusste, hegte Louisa wenig Zweifel daran, dass sie gemeinsam auch einer anderen Leidenschaft frönten. Sehr diskret, verstand sich.
»Bitte führen Sie ihn herein, Mrs. Galt«, wies Louisa die Haushälterin an. Sie rang damit, Fassung zu wahren. »Und dann bringen Sie uns bitte frischen Tee, wenn Sie so freundlich wären.«
»Ja, Mrs. Bryce.«
Mrs. Galt verschwand wieder Richtung Vestibül. Männliche Schritte erschollen.
Mrs. Galt erschien abermals in der Tür. »Mr. Stalbridge.«
Bei Anthonys Anblick schnürte sich etwas tief in Louisas Innerem zusammen. Bislang hatte sie ihn nur im gleißenden Lichterschein eines Ballsaals oder in der Dunkelheit eines schummrigen Kutschverschlags gesehen. In einem Winkel ihres Herzens hatte sie sich gefragt, ob die verwirrenden Gefühle, die sie in seiner Nähe empfand, bei helllichtem Tage verpuffen würden. Doch Anthony war in einem maßgeschneiderten Anzug aus dunkelgrauer Schurwolle ebenso lässig elegant und ebenso erregend gefährlich, wie er es in Frack und Zylinder war. Er trug eine schicke gestreifte Krawatte, und sein Hemd hatte einen hochmodischen umgeschlagenen Kragen. Das dunkle Haar war aus seiner Stirn gekämmt. Ihr gefiel, dass er glatt rasiert war. Schnurrbärte waren derzeit bei Herren sehr beliebt, doch Louisa mochte sie nicht.
Er neigte galant den Kopf.
»Ladys«, grüßte er höflich.
Mrs. Galt verschwand in Richtung Küche. Einen Moment lang herrschte Schweigen. Anthony wartete mit amüsierter Miene.
Schließlich bemerkte Louisa, dass Emma mit der Hand eine unauffällig drängende Geste machte. Ihr fiel auf, dass sie einfach nur dasaß und Anthony anstarrte. Verlegen nahm sie sich zusammen und übernahm die Begrüßung.
»Guten Morgen, Mr. Stalbridge«, sagte sie hastig. »Bitte kommen Sie herein. Ich glaube, Sie kennen Lady Ashton?«
»Aber natürlich.« Anthony trat zu Emma und beugte sich über ihre Hand. »Es ist mir ein Vergnügen, Lady Ashton.«
»Mr. Stalbridge«, sagte Emma in ihrer typisch forschen Art. »Bitte nehmen Sie Platz,
Weitere Kostenlose Bücher