Riskante Nächte
Hastings bestand. Miss Barclay war eine Buchhändlerin. Sie verkehrte nicht in der feinen Gesellschaft, und es gibt keinen Hinweis, dass sie Hastings bekannt war. Sie hatte sich auf wertvolle antiquarische Raritäten spezialisiert. Ihr Kundenkreis bestand hauptsächlich aus Sammlern. Hastings interessiert sich nicht für Bücher.«
Er hatte sich die Mühe gemacht, Nachforschungen anzustellen. Kalter Schweiß ließ Louisas Chemise an ihrem Körper kleben. Um ihre Nerven zu beruhigen, nahm sie ihre Brille ab und begann, die Gläser mit einem Taschentuch zu putzen.
»Hm« ,machte sie, um den Eindruck zu erwecken, sie würde nachdenken.
»Wenn mich die Erinnerung nicht trügt, hat die Sensationspresse kategorisch erklärt, dass absolut nichts Geheimnisvolles an Miss Barclays Tod wäre«, bemerkte Emma sehr gefasst. Sie war wie immer ein Fels in der Brandung. »Sie hatte ein überzeugendes Motiv, sich das Leben zu nehmen. Ihr muss bewusst gewesen sein, dass man sie für den Mord an Lord Gavin verhaften würde. Offensichtlich konnte sie den Gedanken an das Martyrium, das ihr bevorstand, nicht ertragen.«
»In der Tat.« Anthony legte wieder die Fingerspitzen gegeneinander. »Auch ich habe meine Erkundigungen in dieser Richtung letztendlich einstellen müssen.« Er ließ Louisa nicht aus den Augen. »Doch die Selbstmorde von Fiona und Mrs. Hastings ließen mir keine Ruhe, und daher stellte ich weitere Nachforschungen an, diesmal über Elwin Hastings und seine Geschäfte.«
Louisa hielt abrupt im Brilleputzen inne. Neugier gewann die Oberhand über ihre Angst. Sie setzte die Brille wieder auf und sah ihn an. »Haben Sie etwas Verdächtiges herausgefunden?«
»Leider nein. Hastings war zum Zeitpunkt der Todesfälle in eines seiner Finanzkonsortien eingebunden, doch ich konnte keinerlei Verbindung zwischen Fiona und seinen Geschäften entdecken.«
Louisa räusperte sich. »Verzeihen Sie mir, dass ich es anspreche, Sir, aber es ist unumgänglich. Besteht die Möglichkeit, dass Fiona und Mr. Hastings intimen Umgang pflegten?«
»Auf gar keinen Fall.«
Es war ein kategorisches, unmissverständliches Nein, das keine Einwände zuließ.
»Na schön«, sagte Louisa.
»Ich habe mit mehreren Leuten gesprochen, die Fiona und die Hastings an jenem Abend auf dem Ball gesehen haben. Offenkundig sind Mr. und Mrs. Hastings in den Garten gegangen, um frische Luft zu schnappen. Fiona wurde ebenfalls dabei beobachtet, wie sie den Ballsaal verließ. Sie war allein, und auch sie ist in den Garten gegangen.«
Emma reichte ihm eine Tasse Tee. »Es dürften an jenem Abend etliche Leute im Garten gewesen sein.«
»Gewiss.« Anthony nahm die Tasse entgegen und stellte sie auf dem Tischchen neben seinem Sessel ab. »Jedenfalls, die Hastings wurden einige Zeit später dabei beobachtet, wie sie aus dem Garten zurückkehrten. Sie verlangten umgehend nach ihrer Kutsche und verließen den Ball.«
»Und Miss Risby?«, fragte Louisa.
Anthonys Miene wurde grimmig. »Sie wurde nie wieder lebend gesehen.«
»Ich verstehe nicht ganz. Wollen Sie damit sagen, dass niemand sie in den Ballsaal zurückkehren sah?«
»Ja, Mrs. Bryce, genau das will ich damit sagen. Sie ging allein in den Garten und kehrte nicht wieder zurück. Als sie bei Morgengrauen aus dem Wasser gezogen wurde, trug sie noch immer die Abendrobe vom Ball. Das Collier war verschwunden. Es wurde angenommen, dass es auf dem Grund der Themse lag.«
Emma rührte geistesabwesend ihren Tee um. »Diese Einzelheiten waren mir nicht bekannt.«
»Aus verständlichen Gründen waren die Risbys darauf bedacht, weitestgehendes Stillschweigen zu wahren«, erklärte Anthony.
»Erzählen Sie weiter«, drängte Louisa, nunmehr gänzlich gebannt. »Gab es andere Hinweise, die Sie dazu bewegten, den Tod der beiden Frauen miteinander in Verbindung zu bringen?«
»Bei der Leichenobduktion wurde festgestellt, dass Fiona einen Schlag auf den Kopf erhalten hatte. Die Polizei folgerte, dass sie beim Sprung in den Fluss auf einen Stein oder irgendein anderes Hindernis unter Wasser aufgeschlagen sein musste. Doch es gibt auch andere Erklärungen.«
Louisa erschauderte. Es gab in der Tat andere Möglichkeiten, wie man einen Schlag auf den Kopf erhalten konnte. Mit einem Schürhaken beispielsweise konnte man einer Person eine sehr schwere Wunde zufügen. Eine tödliche Wunde.
Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre plötzlich ausgetrockneten Lippen. »Ist das alles, was Sie an Spuren entdeckt
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