Riskante Nächte
Stimme. »Ich bin noch nicht überzeugt, dass Sie mit Ihrem Verdacht, er wäre ein zweifacher Mörder, recht haben. Nichtsdestotrotz haben Sie mich neugierig genug gemacht, um der Sache gründlicher nachzugehen.«
»Warum zum Teufel sollten Sie mir helfen wollen, einen Mörder zu stellen? Das ist ein gefährliches Unterfangen.«
»Ja«, mischte Emma sich eilig ein. »Ein sehr gefährliches Unterfangen. Louisa, ich finde wirklich nicht, dass Sie diesen Plan weiterverfolgen sollten. Sie gehen ohnehin schon genügend Risiken ein.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Anthony wandte seine Aufmerksamkeit Emma zu.
Er wittert eine Fährte, ging es Louisa durch den Sinn. Jetzt würde er nicht mehr lockerlassen.
»Nun gut, Sir.« Sie faltete ihre Hände auf der Schreibtischunterlage. »Ich werde mich Ihnen erklären, aber ich muss Sie warnen, dass es wirklich keine andere Wahl außer einer Zusammenarbeit gibt. Wenn Sie sich weigern, werden wir wahrscheinlich auch in absehbarer Zukunft weiter übereinander stolpern.«
Anthony musterte sie eingehend. »Mrs. Bryce, sind Sie der feinen Gesellschaft so überdrüssig, dass Sie sich nur zum Spaß großen Gefahren aussetzen?«
»Ich werde Ihnen etwas erzählen, was nur wenige Menschen wissen. Mrs. Ashton ist einer davon. Ein weiterer ist der Herausgeber und Chefredakteur des Flying Intelligencer. «
»Das Revolverblatt? Was in aller Welt können Sie denn nur mit einer so verrufenen Gazette zu tun haben, die ausschließlich von den reißerischsten Sensationen lebt?«
Diese Reaktion war zu erwarten gewesen, ermahnte sie sich. Dennoch hatte sie seine gedankenlose Geringschätzung verletzt und verärgert.
»Zufällig bin ich eine Reporterin dieser verrufenen Gazette«, erwiderte sie kühl.
Anthony war wie vom Donner gerührt. Es war das erste Mal, dass sie ihn sprachlos erlebte. Sie versuchte, Befriedigung aus dieser Wendung des Geschehens zu ziehen. Seine Meinung von ihr hatte zweifellos einen absoluten Tiefstand erreicht, aber wenigstens war es ihr gelungen, ihn zu verblüffen. Sie hatte den Eindruck, dass das nicht oft geschah.
»Sie sind eine Reporterin?«, wiederholte er mit betont ausdrucksloser Stimme.
»Eine verdeckte Reporterin«, erklärte sie. »Ich schreibe unter dem Pseudonym I. M. Phantom.«
»Nun, das geschieht mir recht.« Er schüttelte den Kopf, und seine Mundwinkel zuckten.
Sie blitzte ihn wütend an. »Sie finden meinen Beruf belustigend, Sir?«
»›Erstaunlich‹ ist wohl ein treffenderes Wort.« Er schmunzelte. »Meine Schwester wäre begeistert, Sie kennenzulernen.«
Louisas Miene hellte sich wieder auf. »Sie liest meine Artikel?«
»Selbstverständlich. Doch das ist nicht der einzige Grund, weshalb es sie freuen würde, Ihre Bekanntschaft zu machen. Wie es sich trifft, haben Sie beide sehr viel gemein.«
»Ich kann Ihnen nicht ganz folgen. Ist Ihre Schwester ebenfalls eine Reporterin?«
»Nein, aber sie ist in einer ähnlichen Branche tätig, einer Branche, die sie ebenfalls zwingt, ihre wahre Identität zu verbergen.«
»Was macht sie denn?«, fragte Louisa neugierig. Sie war noch keiner anderen Frau begegnet, die ebenfalls unter einem Pseudonym tätig war.
»Sie ist Schriftstellerin. Sie schreibt unter dem Namen E. G. Harris Theaterstücke.«
»Ich kenne ihre Stücke.« Louisa vermochte kaum, ihre Aufregung zu bezähmen. »Sie werden im Olympia-Theater aufgeführt. Wenn es Nacht wird in der Sutton Lane steht gerade auf dem Spielplan. Ich habe es letzte Woche gesehen. Darin gibt es etliche überraschende Wendungen, besonders die fantastische Szene, in der ein Schiff auf See sinkt.«
»Das weiß ich nur zu gut.«
»Man denkt, die Heldin werde zwangsläufig ertrinken, weil sie eine verbotene Liebschaft hat, und jeder weiß, dass verbotene Liebschaften in Melodramen immer ein böses Ende nehmen. Aber in allerletzter Minute taucht aus dem Nichts ein Gentleman auf und rettet sie.« Louisa seufzte. »Leider ist es nicht Nigel, der Mann, den sie liebt.«
»Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, war Nigel bereits verheiratet«, wandte Anthony ein.
»Ja, aber er wusste es doch gar nicht! Er dachte, seine Frau wäre tot, obwohl sie in Wirklichkeit nur von ihrem heimtückischen Bruder in eine Irrenanstalt eingesperrt worden war.«
»Ich versichere Ihnen, ich habe das Stück gesehen, Mrs. Bryce. Sie müssen es mir wirklich nicht erklären.«
Sie wurde rot. »Ja, natürlich.«
Emma kicherte leise. »Louisa ist eine große Bewunderin
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