Riskante Nächte
der Stücke Ihrer Schwester, Sir.«
»Das merke ich.« Anthony zog die Augenbrauen hoch. »Wie es sich trifft, habe ich einige Ihrer Artikel gelesen, Mrs. Bryce.«
»Es überrascht mich, dass Sie zugeben, irgendetwas gelesen zu haben, was im Flying Intelligencer abgedruckt war.« Doch ihr lief ein kleiner wohliger Schauder über den Rücken. Er hatte ihre Artikel gelesen.
»Der Intelligencer hat zwei Kategorien von Lesern«, erwiderte er trocken. »Jene, die zugeben, ihn zu lesen, und jene, die es nicht zugeben. Das gilt vor allem, seit I. M. Phantom begonnen hat, für das Blatt zu schreiben. Ich muss Ihnen gratulieren, Mrs. Bryce. Es ist Ihnen wiederholt gelungen, die feine Gesellschaft mit Ihren Enthüllungen über Skandale auf höchster Ebene zu erstaunen.«
Sie verspürte den plötzlichen Drang, sich zu verteidigen. »Diese Skandale interessieren mich nicht um der bloßen Sensation willen. Ich werde von dem Verlangen angetrieben, die Gerechtigkeit obsiegen zu sehen, Sir.«
Er sah sie fragend an. »Die Gerechtigkeit?«
»Die Angehörigen der feinen Gesellschaft missbrauchen viel zu oft ihre gehobene Stellung und ihre Macht. Sie nutzen jene aus, die ihnen unterlegen sind, wohl wissend, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dafür jemals zur Rechenschaft gezogen zu werden.«
»Verstehe. Sie fühlen sich also gedrängt, Gerechtigkeit zu üben, indem Sie solche Leute bloßstellen.«
»Es gibt wenig, was man sonst tun kann.« Sie breitete die Hände aus. »Jedermann weiß, dass es für Scotland Yard nahezu unmöglich ist, Ermittlungen in der feinen Gesellschaft anzustellen. Alle Türen bleiben ihnen verschlossen, und es fehlt ihnen jedes Mittel, sie zu öffnen. Wie Sie selbst sagten, besteht nicht die geringste Aussicht, dass die Polizei je Hastings’ Haus durchsuchen kann.«
»Das ist wahr, aber …«
»Dank Mrs. Ashton befinde ich mich in einer einzigartigen Position«, fuhr sie fort. »Es ist mir möglich, in den feinsten Kreisen zu verkehren, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.«
Er warf einen Blick zu Emma.
Emma war damit beschäftigt, Tee nachzuschenken. »Es ist ausgesprochen interessant gewesen, muss ich gestehen.«
»Ich möchte betonen, dass ich mich großer Sorgfalt rühme«, erklärte Louisa kategorisch. »Ich forsche sehr gründlich nach, bevor ich meine Artikel schreibe. Nichts läge mir ferner, als einer unschuldigen Person Schmerz zuzufügen oder sie zu demütigen.«
»Genug, genug.« Anthony hielt kapitulierend die Hand hoch. »Ich zweifle weder an Ihrem Eifer noch an Ihren guten Absichten, Mrs. Bryce.«
Sie entspannte sich etwas.
»Ich frage mich, wie Sie an Ihre Informationen gelangen«, fuhr er fort. »Kann ich davon ausgehen, dass Sie als Vertreterin der Presse über Informanten verfügen?«
»Ja«, sagte sie, und ihre Wachsamkeit kehrte zurück.
»Ich wüsste gern den Namen der Person, die Sie auf Hastings’ Fährte geführt hat.«
Sie überlegte einen Moment. Miranda Fawcett genoss ihre Rolle als heimliche Zuträgerin von Auskünften für eine Zeitungsreporterin. Sie könnte zweifellos überredet werden, Anthony bei seinen Nachforschungen behilflich zu sein, vorausgesetzt natürlich, man könnte sie überzeugen, ihm zu trauen.
»Mein Informant wäre möglicherweise bereit, Ihnen zu helfen«, sagte sie, »aber ich kann nichts versprechen.«
Erwartungsvolle Erregung blitzte in Anthonys Augen auf. »Ich verstehe.«
Louisa legte die Hände auf den Schreibtisch. »Lassen Sie mich eines deutlich sagen, Sir«, begann sie kühl. »Diese Unterhaltung ist hier und jetzt beendet, wenn Sie nicht zustimmen, mich in dieser Angelegenheit zum gleichberechtigten Kompagnon zu machen.«
Sein Augen verengten sich gefährlich. »Das halte ich nicht für klug, Mrs. Bryce.«
»Ich glaube nicht, dass Ihnen eine andere Wahl bleibt, Mr. Stalbridge.«
10
Zehn Minuten später ging er die Eingangsstufen von Nummer zwölf hinunter, überquerte die Straße und betrat die kleine Grünanlage in der Mitte des Platzes. Er war übler Laune.
Louisa war Reporterin des Flying Intelligencer. Diese Enthüllung hatte ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen. Er hatte noch nie von einem weiblichen Reporter gehört, ganz zu schweigen von einer Lady, die ihre Recherchen in den exklusivsten Kreisen betrieb.
Ihr erstaunlicher Beruf erklärte doch etliches, was in den vergangenen Tagen Anthonys Neugier geweckt hatte, einschließlich ihrer klammheimlichen Erkundungsgänge in den Häusern der Wellworths
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