Riskante Nächte
und der Hammonds sowie ihr Interesse an Hastings. Ebenso erklärten sich so die schlichten Kleider, die Brille und die öde Konversation, die sie bei allen gesellschaftlichen Anlässen betrieb, an denen sie teilnahm. Louisa hatte sich wahrlich Mühe gegeben sicherzustellen, dass niemand auf sie aufmerksam wurde. Doch ob es ihr nun gefiel oder nicht, jetzt, da ihr Name mit dem seinen verbunden war, würde sie einiges von ihrer so hochgeschätzten Anonymität verlieren. Er fragte sich, wie sie damit umgehen würde.
Er marschierte durch eine eng stehende Baumgruppe und fand sich unvermittelt auf der kleinen Lichtung in der Mitte des Parks wieder. Er kam an zwei grün lackierten schmiedeeisernen Bänken und der Statue einer Nymphe vorbei. Auf der anderen Seite der Grünanlage überquerte er eine Straße, ging um eine Ecke und betrat eine schmale Gasse. Als er die geschäftige Straße am anderen Ende erreichte, überlegte er kurz, sich eine Droschke zu nehmen, verwarf die Idee aber wieder. Er musste erst den Unwillen ablaufen, den Louisas Handel in ihm geweckt hatte.
Er wollte nicht, dass sie in diese Sache verwickelt wurde, aber wie es schien, blieb ihm keine andere Wahl. Sie hatte unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie ihre Nachforschungen über Hastings fortsetzen würde, mit oder ohne seine Mithilfe. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ein Auge auf sie zu haben. Und das würde sicher nicht leicht werden, vermutete er.
11
»Ich weiß, wie unwahrscheinlich es ist, dass ich Ihnen dieses Unterfangen ausreden kann«, sagte Emma. »Dennoch muss ich es wenigstens versuchen. Diese Angelegenheit ist so riskant.«
Louisa stand auf und trat an das Fenster zum Garten. »Ich bin auch früher schon Risiken eingegangen.«
»Nicht so große wie diesmal. Sie haben noch nie Nachforschungen in einem Mordfall angestellt.«
»Genau deshalb kann ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Die Enthüllung über Elwin Hastings’ Verstrickung in die schockierenden Morde an zwei hochgestellten Frauen lässt sich nicht einfach ignorieren. Männer wie Hastings müssen zu selten für ihre Verbrechen zahlen. Dies ist die Gelegenheit, einen von ihnen zur Rechenschaft zu ziehen.«
»Vergessen Sie eines nicht: Sie können nicht mit völliger Gewissheit sagen, dass Hastings wirklich gemordet hat. Sie können sich momentan nur auf Mr. Stalbridges Mutmaßungen berufen. Und ich habe Ihnen bereits gesagt, dass er seine Gründe haben könnte, die Schuld jemand anderem zuzuschieben.«
Louisa schaute in den Garten hinaus. »Ich glaube nicht, dass er seine Nachforschungen einzig und allein betreibt, um seinen Namen reinzuwaschen, Emma. Um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass er sich darum schert, was die feine Gesellschaft von ihm denkt. Meine Intuition sagt mir, dass er tatsächlich von Hastings’ Mord an Fiona überzeugt ist. Er ist fest entschlossen, Gerechtigkeit für sie zu erstreiten.«
»Vielleicht unterstellen Sie ihm solch hehre Motive, weil Sie glauben möchten, dass Sie beide etwas gemein haben«, gab Emma freundschaftlich zu bedenken. »Dass es Ihnen beiden um Gerechtigkeit ginge et cetera et cetera.«
»Damit könnten Sie wohl recht haben.« Louisa drehte sich zu ihr um. »Aber wie dem auch sei, ich bin in jedem Fall fest entschlossen, diese Angelegenheit bis zum bitteren Ende zu verfolgen.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, meine Liebe. Ich hege größte Bewunderung für Ihre Arbeit als Reporterin, doch ich fürchte, dass Sie in Ihrem Streben nach Gerechtigkeit in den gehobenen Kreisen waghalsig werden.«
»Ich weiß Ihre Sorge um mich zu schätzen, und ich verspreche, dass ich vorsichtig sein werde.«
Emma seufzte. »Sie werden von der Wut auf Lord Gavin und der Angst angetrieben. Der Mann ist tot, doch er verfolgt Sie noch immer.«
»Ich kann Ihnen da nicht widersprechen. Was letztes Jahr geschehen ist, ist ein Albtraum, der mich bis ans Ende meiner Tage quälen wird. Doch gleichzeitig kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass ich meiner Bestimmung folge. Meine Arbeit als I. M. Phantom gibt mir eine Erfüllung, der nichts gleichkommt.«
»Sie sind also fest entschlossen, an dem Arrangement, das sie mit Anthony Stalbridge getroffen haben, festzuhalten?«
»Mir bleibt keine Wahl.« Louisa klammerte sich an den Fenstersims. Sie schwieg einen Moment lang. »Er muss sie sehr geliebt haben, Emma.«
12
Anthony stieg die Vortreppe des imposanten Hauses in der Brackton Street hinauf. In düsterer
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