Riskante Nächte
Miss Fawcett.« Er richtete sich lächelnd wieder auf. »Sie sind eine lebende Legende, Madam. Aber das wissen Sie natürlich. Keine Schauspielerin konnte je Ihren Platz auf der Bühne einnehmen. Ich hatte das große Glück, Ihren letzten Auftritt als Lady Macbeth zu sehen.«
Louisa wäre beinahe aus ihrem Sessel gefallen. Anthony verstand es eindeutig, seinen Charme spielen zu lassen, wenn er wollte. Noch vor einer halben Stunde, als er sie in Arden Square für ihre Verabredung mit Miranda abgeholt hatte, schien er alles andere als erfreut ob der Aussicht, die frühere Schauspielerin zu treffen. Um genau zu sein, er war wie vor den Kopf gestoßen gewesen, als er die Identität von Louisas Informantin erfuhr.
»Wie zum Teufel haben Sie denn Miranda Fawcett kennengelernt?«, knurrte er, während er Louisa in die Kutsche folgte.
»Ich konnte ihr einen kleinen Gefallen tun«, erklärte Louisa. »Sie zeigte sich sehr dankbar.«
»Die Frau muss auf die sechzig zugehen.«
»Ja, ich glaube schon.«
Anthony lehnte sich nachdenklich im Sitz zurück. »In ihrer Glanzzeit wurde gemunkelt, sie wäre die Geliebte einiger der mächtigsten Männer des Landes.«
»Mrs. Ashton erzählte mir davon.«
»Es gab Gerüchte, sie hätte eine langjährige Liaison mit einem Mann namens Clement Corvus gehabt.«
»Ich glaube, sie hat seinen Namen hie und da erwähnt.«
»Louisa, der Mann steht in dem Ruf, ein Unterweltkönig zu sein.«
»Aber was reden Sie denn da, Sir.« Sie lächelte heiter. »Wenn Mr. Corvus ein Verbrecher wäre, säße er längst hinter Gittern.«
»Nach allem was ich höre, ist er zu schlau, um sich erwischen zu lassen. Er ist immer sorgsam darauf bedacht, Abstand zu den kriminellen Machenschaften zu wahren, von denen er profitiert. Es heißt, er lebe wie ein begüterter, respektabler Gentleman, während er gleichzeitig über ein Unterweltimperium herrscht. Im Milieu nennt man ihn nur den Raben.«
Die Nachdrücklichkeit seines Tonfalls ließ sie aufmerken. Sie musterte ihn neugierig.
»Sie scheinen viel über Mr. Corvus zu wissen«, sagte sie.
Anthony zögerte. »Ich habe mich in letzter Zeit viel mit ihm beschäftigt. Ich will ganz offen sein. Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass Sie mit seiner ehemaligen Geliebten in Verbindung stehen.«
»Ich glaube nicht, dass etwas Ehemaliges an ihrer Beziehung ist«, erwiderte Louisa amüsiert. »Ich habe vielmehr den Eindruck, sie stehen einander immer noch sehr nahe. Miss Fawcett ist eine ausgezeichnete Informantin. Es würde mich nicht überraschen, wenn ein guter Teil ihrer Informationen direkt vom Raben stammte.«
»Warum sollte er einer Zeitungsreporterin helfen?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Vielleicht amüsiert es ihn. Ich weiß, dass Miss Fawcett es ausgesprochen amüsant findet, sich als meine Informantin zu betätigen.«
»Was für eine Art Gefallen war das denn, den Sie ihr taten?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
Während sie jetzt Miranda anschaute, wie sie strahlte und funkelte, empfand Louisa eine gewisse Erheiterung und Bewunderung. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere war Miranda die gefeiertste Schauspielerin Englands gewesen. Sie hatte außerdem hochgelobte Tourneen durch Amerika gemacht. Obgleich sie ihren Abschied von der Bühne genommen hatte, hatte sie nichts von ihrer Fähigkeit eingebüßt, ihr Publikum zu bezaubern.
Miranda schenkte Anthony ein reizendes Lächeln. »Sie sind zu freundlich, Sir. Ich muss gestehen, manchmal kann ich gar nicht glauben, dass ich dem Theater schon so lange den Rücken gekehrt habe. Es fehlt mir schrecklich. Das wirkliche Leben ist so quälend langweilig.« Sie bedachte Louisa mit einem vielsagenden Lächeln. »Zumindest war es das, bis ich die Bekanntschaft von Mrs. Bryce machte. Ich schwöre, sie hat meinem öden Dasein wieder Schwung gegeben.«
Anthony setzte sich in einen der goldenen Sessel. »Mrs. Bryce besitzt eine Gabe dafür, die Dinge aufregend zu machen.«
Louisa warf ihm einen warnenden Blick zu. Er erwiderte ihn mit einem höflichen Lächeln.
»Oh ja, das tut sie«, pflichtete Miranda ihm bei. Sie sah Anthony erwartungsvoll an. »Sie erzählte mir, Sie würden ihr bei einer ihrer spannenden kleinen Nachforschungen behilflich sein, Mr. Stalbridge.«
»Ich dachte mir, es könnte amüsant werden«, sagte Anthony. »Auch ich fand das Leben in letzter Zeit etwas trist.«
Louisa verdrehte die Augen.
Miranda kicherte kehlig. »Mrs. Bryce wird dieses Problem alsbald für Sie
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