Riskante Nächte
wirbelte auf dem Absatz herum und rannte auf dem Kiesweg davon.
Anthony stürzte aus dem Schutz der Bäume. Als der Fremde hinter sich donnernde Schritte hörte, blieb er stehen, drehte sich hektisch um, spannte den Hahn und feuerte ziellos.
Die Kugel traf nur einen nahe stehenden Baum. Dennoch deuchte Anthony, dass Verfolgung höchstwahrscheinlich nicht das Klügste wäre. Er trug zwar selber einen Revolver bei sich, doch er war nicht bereit, auf Leute zu schießen, die er nicht identifizieren konnte. Widerstrebend kam er am Rand des Parks zum Stehen und sah seinen Angreifer in der Nacht verschwinden.
»Verdammt!«
Die Schüsse waren nicht unbemerkt geblieben. Aufgeregte Rufe schollen aus verschiedenen Schlafzimmerfenstern um den Platz herum.
Anthony ging zu der Nymphe zurück und holte Zylinder und Gehrock. Er hielt sich so weit als möglich im Schutz der Bäume, um sich den Blicken der Leute, die aus den Fenstern schauten, zu entziehen. Schließlich verließ er den Park und überquerte die Straße.
Er sollte Louisa jetzt besser keinen Besuch abstatten, überlegte er. Trotzdem ertappte er sich dabei, wie er die Vordertreppe von Nummer zwölf hinaufstieg. Sie wollte sicher eine Schilderung der Geschehnisse hören. Schließlich war sie eine Reporterin. Und er wollte sie unbedingt sehen.
Er musste den Türklopfer nicht betätigen. Die Tür wurde aufgerissen, noch bevor er die Hand heben konnte. Louisa stand im Eingang und starrte ihn ängstlich durch ihre Brillengläser an. »Gütiger Himmel, was ist passiert? Ich habe Schüsse gehört. Ich bin nach unten gelaufen und habe aus dem Fenster geschaut, und da habe ich Sie über die Straße kommen sehen. Ist Ihnen etwas passiert? Was machen Sie hier? Wurden Sie von einem Straßendieb überfallen?«
Ihr Anblick hob seine Stimmung augenblicklich. Er hatte recht gehabt, dachte er zufrieden. Sie wirkte in Morgenrock und Pantoffeln entzückend. Die wichtigste Frage des Abends war beantwortet. Sie schlief mit offenem Haar.
32
»Gütiger Himmel, er hat zwei Löcher in Ihren Gehrock geschossen.« Louisa starrte entsetzt auf den Rücken des Gehrocks. »Sie hätten tot sein können.«
»Nur dass ich den Gehrock zu dem betreffenden Zeitpunkt nicht anhatte.« Anthony durchquerte das Arbeitszimmer und nahm die Brandykaraffe von dem Beistelltisch mit den Getränken. Er beobachtete, wie Louisa den Gehrock gegen das Licht hielt und sich abermals überzeugte, dass man tatsächlich durch die Löcher im Rücken hindurchspähen konnte. Er fand ihre entrüstete Sorge sehr rührend, doch ihr logischer Fehler ließ ihn unwillkürlich schmunzeln. »Ich habe Ihnen doch erzählt, dass ich ihn über die Statue gehängt hatte.«
»Er hat recht, meine Liebe«, sagte Emma sanft. »Mr. Stalbridge hat Ihnen erklärt, dass er den Gehrock nicht trug, als auf ihn, oder besser gesagt auf den Gehrock, geschossen wurde.«
»Darum geht es nicht.« Louisa warf den Gehrock über die Rückenlehne des Sofas und drehte sich aufgebracht wieder zu Anthony um. »Es geht darum, dass Sie niemals ein solches Risiko hätten eingehen dürfen. Nachts allein und zu Fuß umherzuspazieren. Was haben Sie sich denn nur dabei gedacht, Sir?«
Er trank einen großen Schluck Brandy und senkte das Glas. »Ich war der Überzeugung, dies sei ein achtbares Viertel.«
»Das ist es auch, aber das bedeutet nicht, dass Leute hier einfach zu jeder Tages- und Nachtzeit allein umherlaufen und sich damit zu einladenden Zielscheiben für zufällig vorbeikommende Straßendiebe machen sollten.«
»Es war kein Straßendieb, der auf meinen Gehrock geschossen hat«, widersprach er leise.
Louisa und Emma sahen ihn erschrocken an.
»Was in aller Welt wollen Sie damit sagen?«, hauchte Louisa.
»Ich bin ziemlich sicher, Hastings war der Schütze.« Er überlegte kurz. »Obgleich ich annehme, dass es ebenso gut auch Easton gewesen sein könnte.« Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube allerdings, Easton war zu betrunken, um mir im Nebel zu folgen, ganz zu schweigen davon, mit einem Revolver auf mich zu zielen. Da ich jedoch nicht absolut sicher sein konnte, habe ich das Feuer nicht erwidert.«
»Gütiger Himmel«, entfuhr es Louisa. Ihre Augen waren schreckgeweitet. »Sie tragen eine Schusswaffe bei sich?«
»Ich habe sie erworben, als ich den amerikanischen Westen bereiste. Dort hat fast jeder eine Waffe. Nach Thurlows unerwartetem Ableben schien es klug, sie bei mir zu tragen.« Er zuckte die Achseln. »Nicht, dass es sehr
Weitere Kostenlose Bücher