Riskante Nächte
nickte etwas wehmütig. »Ich gebe zu, dass ich die Vorstellung einer verbotenen Liebschaft sehr faszinierend finde. Ich flechte wenigstens eine in jedes meiner Stücke ein.«
»Ich habe mehrere Ihrer Stücke gesehen. Und sie sind köstlich unterhaltsam, aber es ist doch auffällig, dass die verbotenen Liebschaften immer ein böses Ende nehmen.«
Clarice schnitt eine Grimasse. »Aber nur, weil das Publikum und die Kritiker ein solches Ende verlangen. Sie sind natürlich alle sehr begierig darauf, mit dem erregenden Kitzel verbotener Liebe auf der Bühne mitzufiebern, doch sie halten ihr Vergnügen daran nur für gerechtfertigt, wenn diese Liebschaften tragisch ausgehen.«
»Aha.« Louisa atmete tief durch und ging langsam weiter den Weg entlang. »In den Romanen ist es das Gleiche.«
»Oh ja. Literarische Konventionen und die Kritiker können eine sehr beschränkende Wirkung auf die Kunst haben«, erklärte Clarice lebensklug.
»Meinen Sie, wenn es die Konventionen und die Kritiker nicht gäbe, wäre es möglich, ein Stück oder einen Roman zu schreiben, in dem eine verbotene Liebschaft glücklich endet?«
»Unbedingt«, antwortete Clarice.
Louisa blieb abermals stehen und sah sie an.
»Und?«, drängte sie. »Wie würde es ausgehen?«
Clarice wedelte mit der Hand. »Nun, die Liebenden würden natürlich heiraten.«
»Hm.«
Clarice zog die Augenbrauen hoch. »Ihnen gefällt das Ende nicht?«
»Ich glaube, ich sehe da ein gewisses logisches Problem.«
»Und das wäre?«
»Wenn die Liebenden heiraten, dann ist es ja nicht länger eine verbotene Liebschaft, oder?«
»Da haben Sie wohl recht.«
Und in ihrem Fall war das ein unmögliches Ende, dachte Louisa bei sich.
Anthony stand am Fenster, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Seine Mutter und sein Vater standen rechts und links neben ihm. Alle drei beobachteten Louisa und Clarice beim Spaziergang durch den Garten.
»Die beiden scheinen sich gut zu verstehen«, bemerkte Marcus. Er wirkte zufrieden. »Ich muss sagen, ich mag deine Mrs. Bryce. Eine faszinierende Frau.«
»Ich habe Ihnen ja gesagt, Sie ist etwas ungewöhnlich«, erwiderte Anthony.
Marcus kicherte und klopfte ihm auf die Schulter. »Das hast du, und deine Beschreibung einer Lady ist selten treffender gewesen.«
»Die beiden geben ein hübsches Paar ab, wie sie da mit ihren Sonnenschirmen umherspazieren, nicht wahr?«, bemerkte Georgiana. Sie warf Anthony einen Seitenblick zu. »Deine Mrs. Bryce ist recht jung verwitwet, oder nicht?«
»So scheint es«, erwiderte er zurückhaltend.
»Einen interessanten Beruf hat sie sich da ausgesucht«, sagte Marcus. »Kein Wunder, dass sie und Clarice sich so gut verstehen. Sie haben viel gemeinsam.«
»Ich frage mich, worüber sie sich unterhalten«, sagte Georgiana. »Was immer es ist, die beiden scheinen sehr vertieft in ihr Thema.«
»Gartenpflege vielleicht«, schlug Anthony vor, obgleich er es bezweifelte.
Louisas angespannte Haltung der Schultern warnte ihn, dass die Unterhaltung sich dem Persönlichen zugewandt hatte.
34
Eine Stunde später brachte Anthony sie nach Hause. Ihr Schweigen in der Kutsche erfüllte ihn mit Unbehagen, doch seine Versuche, eine Unterhaltung in Gang zu bringen, blieben fruchtlos. Louisa war ganz in Gedanken versunken.
Niemand öffnete die Tür, als sie die Vortreppe zum Stadthaus hinaufstiegen. Louisa holte einen Schlüssel aus ihrem Muff. Anthony nahm ihr den Schlüssel ab und schloss die Tür auf. »Wo sind alle?«
»Die Dienstboten haben heute ihren freien Nachmittag.« Louisa ging ins Vestibül und löste die Kinnbänder ihres Huts. »Und Emma ist beim wöchentlichen Treffen des Vereins der Gartenfreunde. Sie werden alle erst in ein paar Stunden zurück sein.«
Er folgte ihr ins Vestibül. »Verstehe.«
Sie sah ihn an, als wüsste sie nicht, was sie mit ihm anfangen sollte, jetzt da er im Haus war.
»Würden Sie bitte mit ins Arbeitszimmer kommen, Sir?«, fragte sie.
Seine Stimmung hob sich augenblicklich. »Danke.«
Sie hängte ihren Hut an einen Haken und führte Anthony den Flur hinab. »Ich denke, wir sollten vergleichen, was wir bei unseren jeweiligen Nachforschungen herausgefunden haben. Mir ist da etwas eingefallen, das ich in Erfahrung brachte, bevor Sie und ich uns zusammengetan haben.«
Seine Hoffnungen lösten sich in Luft auf. Sie lud ihn nicht ins Arbeitszimmer ein, weil sie sich an seiner Gesellschaft erfreute. Sie wollte über die verfluchten Nachforschungen
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