Riskante Naehe
schuld an seinem Tod außer den Männern, die die Waffen abgefeuert haben. Ramon wusste, wie gefährlich sein Job war. Aber er hat ihn trotzdem erledigt, weil er seinem Land und den Menschen etwas Gutes tun wollte. Und ihr habt die Geisel befreit, also hat er gesiegt.«
Sein Verstand wusste, dass Rose recht hatte, doch trotzdem konnte er sich nicht von seinen Schuldgefühlen befreien. Er hätte irgendetwas tun müssen, um den Tod seines Teammitglieds zu verhindern. Irgendetwas …
Sämtliche Reden waren gehalten, die amerikanische Nationalhymne wurde angestimmt, während die Flagge zu einem kleinen Dreieck zusammengefaltet und der Witwe übergeben wurde. Diese nahm den Stoff und drückte ihn an ihre Brust. Clint war froh, als die Salutschüsse das Ende der Beerdigung ankündigten. Ein Soldat stand Wache, bis der Sarg in die Grube abgesenkt und mit Sand bedeckt worden war. Die meisten Trauergäste blieben auch danach noch in Grüppchen stehen, bevor sie langsam zu Rose und Ramons Familie gingen, um erneut ihr Beileid auszudrücken. Clint blickte noch einmal zu Dr. Lombard. Sie stand immer noch am gleichen Fleck, ihre Augen starr auf das Grab gerichtet. Clint seufzte. Erst musste er zu Rose, dann würde er mit ihr sprechen.
Zögernd ging er auf die Menschenansammlung zu. Gerade ging Matt zu Rose und umarmte sie. Clint beneidete ihn um seine Fähigkeit, auf andere Menschen zuzugehen und in jeder zwischenmenschlichen Situation genau zu wissen, was er tun musste. Clint besaß zwar eine große Familie, immerhin fünf Brüder und Schwestern, hatte sich aber immer ein bisschen von allen abgesondert. Warum, wusste er selbst nicht. Es war einfach seine Art. Natürlich fühlte er deshalb nicht weniger, aber er konnte seine Gefühle einfach nicht gut ausdrücken. Und er hasste Beerdigungen und Friedhöfe.
Sein Blick schweifte über die Reihen von weißen Grabsteinen. Es waren Abertausende, die meisten der hier Beerdigten hatten irgendwann in ihrem Leben ihrem Land gedient, und viele waren dabei gestorben. Derzeit gab es hier mehr als 260000 Gräber, und wie er an einer Tafel gelesen hatte, kamen jede Woche einhundert dazu. In Kriegszeiten waren es wahrscheinlich wesentlich mehr. Ein Schauder kroch über seinen Rücken. Er musste hier weg.
Entschlossen bahnte er sich seinen Weg zu Rose. Sie blickte mit geröteten Augen zu ihm auf. Ramons Frau war schon immer sehr zierlich gewesen, aber heute sah sie geradezu zerbrechlich aus.
Er umfasste ihre eiskalten Finger vorsichtig mit seinen großen Händen. »Es tut mir so leid, Rose.«
Sie lächelte ihn durch ihre Tränen an. »Ich weiß, Clint. Danke!«
»Wenn ich dir bei irgendetwas helfen kann …«
Sie unterbrach ihn. »Werde ich mich bei dir melden. Im Moment ist meine Familie da, die mir hilft.«
Clint räusperte sich. »Ramons letzte Worte galten dir. Er bat mich, dir zu sagen, dass er dich liebt.«
Rose schluchzte auf und presste ihre Hand auf ihren Mund. Hilflos musste Clint zusehen, wie ihre mühsam aufrechterhaltene Kontrolle bröckelte. Rose sah wohl den panischen Ausdruck in seinen Augen, denn sie riss sich zusammen.
Sie stellte sich auf ihre Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. »Danke.«
Clint erwiderte ihren Kuss. »Wir bleiben doch in Kontakt?«
»Natürlich.«
Aber so natürlich war es gar nicht. Der einzige Grund, warum sie überhaupt je zusammengetroffen waren, lag jetzt etwa fünfzehn Meter entfernt unter einer zwei Meter hohen Erdschicht. Die erste Zeit würden sie wahrscheinlich noch in Kontakt bleiben, aber irgendwann würde die Beziehung einschlafen. Was vielleicht auch besser war, würde Rose durch ihn und die Teammitglieder doch immer daran erinnert werden, was sie verloren hatte und an wen.
Nach einer letzten Umarmung wandte Clint sich ab. Eigentlich war er im Moment nicht in der Verfassung, sich mit anderen Menschen abzugeben, doch irgendetwas zog ihn unwiderstehlich zu Karen Lombard hin. Es war ihm klar, dass sich nie etwas zwischen ihnen entwickeln konnte, weil sie verheiratet war. Deshalb traf ihn der eifersüchtige Stich völlig unerwartet, als er sah, wie Matt sie umarmte. Er schüttelte den Kopf. Was war nur mit ihm los? Sie war die Frau eines anderen, außerdem lebte und arbeitete sie hier in Washington und er in Kalifornien. Und überhaupt, sie hatten bisher nicht mehr als drei halbwegs freundliche Sätze miteinander gewechselt.
Außer den im Bericht genannten Fakten wusste er nichts über sie oder ihr Leben. Abgesehen davon
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