Riskante Versuchung
war sie allein aufgewacht.
Nachdem sie Kelsey zur Schule gebracht hatte, fuhr sie nach Hause, wo das Lämpchen ihres Anrufbeantworters blinkte.
Die erste Nachricht stammte vom Kindergarten, wo sie am Morgen Musikunterricht geben sollte. Alle Dreijährigen der Gruppe hatten die Windpocken. Ob sie einen neuen Termin vereinbaren könnten?
Dann meldete sich Franks Stimme aus dem Lautsprecher des Anrufbeantworters. Er klang gereizt und teilte ihr mit, dass er für ein paar Tage geschäftlich nach Atlanta müsse. Er würde sich melden, sobald er zurück sei. Er hoffe, es gehe ihr gut, und er sei enttäuscht, dass sie sich am vergangenen Abend nicht mehr gesehen hätten.
Die letzte Nachricht war von der Werkstatt, in die ihr Wagen geschleppt worden war. Man hatte die Kupplung repariert, aber dabei hatte der Mechaniker festgestellt, dass die Bremsbeläge erneuert werden mussten. Nun fragte man nach, ob Jess das auch gleich erledigt haben wolle.
Das Ganze war wirklich zu ironisch. Jess hatte sich einen Wagen gemietet, um ihren Termin im Kindergarten wahrnehmen zu können. Und jetzt wurde nicht nur besagter Termin abgesagt, sondern ihr Wagen war obendrein auch noch fertig. Vorausgesetzt natürlich, sie wollte nicht noch einmal zwei Millionen Dollar in die Reparatur der Bremsen investieren.
Entnervt legte sie den Kopf auf die auf dem Küchentisch verschränkten Arme. Mit ihrer finanziell desaströsen Situation würde sie ja noch zurechtkommen, wenn nicht gleichzeitig ihr Privatleben so katastrophal wäre.
Rob hatte sie in der vergangenen Nacht wild und leidenschaftlich geliebt. Genau so, wie Jess es mochte. Es gefiel ihr, verzweifelt begehrt zu werden. Und es gefiel ihr, wie der ansonsten zurückhaltende Rob die Kontrolle verlor.
Hinterher hatte er sie liebevoll, beinah andächtig in den Armen gehalten. So war sie dann eingeschlafen.
Wenigstens ein einziges Mal wollte sie auch in seinen Armen aufwachen. Nur ein Mal wollte sie ganz ruhig und zärtlich im frühen Morgenlicht mit ihm schlafen.
Plötzlich läutete die Türglocke und riss sie aus ihren Gedanken.
Vielleicht war es Rob. Vielleicht war er von der Arbeit zurückgekommen, um sie zu sehen. Vielleicht …
Schnell stand Jess auf und ging zur Tür. Sie wollte gerade aufschließen, als ihr einfiel, dass Rob nicht an der Vordertür klingeln würde. Er würde zur Hintertür kommen.
Jess spähte durch den Spion und erschrak.
Es war Pete.
Verunsichert lehnte sie sich mit dem Rücken gegen die Tür und überprüfte die Verriegelung. Du meine Güte! Was sollte sie machen? Die Polizei rufen?
Die Türklingel ertönte erneut.
„Miss Baxter“, rief Pete, als wüsste er ganz genau, dass sie sich auf der anderen Seite der schweren Holztür befand. „Können wir Sie kurz sprechen?“
Wir?
Erneut spähte Jess durch den Spion. Tatsächlich, Pete befand sich in Begleitung zweier Männer, die halb hinter ihm standen. Und Pete sah seltsam aus, nicht nur wegen des Weitwinkeleffekts des Türspions. Er war glatt rasiert, die Haare waren ordentlich gekämmt. Außerdem trug er einen Anzug.
„Was wollen Sie?“, rief sie. Ihre Stimme war nicht allzu laut, aber deutlich zu vernehmen. Zumindest zitterte sie nicht wie der Rest von ihr. Verdammt, der Anblick dieses Mannes hatte ihr Angst eingejagt.
Pete senkte ebenfalls die Stimme. „Wir sind vom FBI, Ma‘am, und würden Ihnen gern ein paar Fragen stellen.“
FBI?
Jess sah noch einmal durch den Spion, und nun hielt Pete irgendeine Marke aus glänzendem Metall hoch. Sie schloss die Tür auf und öffnete sie einen Spaltbreit.
„Darf ich die mal sehen?“
Pete reichte ihr die Marke in dem abgegriffenen Lederetui.
„Federal Bureau of Investigation“ stand darauf. Dazu gehörte auch eine Ausweiskarte mit Foto, die Pete als FBI-Agent Parker Elliot identifizierte. Der etwas heruntergekommen wirkende Barkeeper war in Wirklichkeit FBI-Agent.
„Ich habe undercover ermittelt, als wir uns im Pelican Club kennengelernt haben“, beantwortete er ihre unausgesprochene Frage. „Für das Rose Café gilt das Gleiche.“
„Undercover?“, wiederholte Jess schwach und reichte die Marke an Pete zurück. Besser gesagt an Parker - oder wie auch immer sein wahrer Name lauten mochte.
„Dürfen wir reinkommen, Ma‘am?“
Jess öffnete die Tür und ließ die Männer eintreten.
„Mein Name ist Parker Elliot“, wiederholte Pete und schaute sich in ihrem Wohnzimmer um. „Ich arbeite für die Behavioral Analysis Unit, einer Einheit zur
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