Riskante Versuchung
musste.
Sie schob Franks Hände in die Schlinge und zog sie fest zu.
Aber nicht fest genug. Rob packte das Seil und zog so hart daran, dass Frank zusammenzuckte.
„Du musst ihm nicht wehtun“, protestierte sie.
Rob stieß sie zur Seite und klemmte sich das Messer zwischen die Zähne, während er Frank an den Stuhl fesselte.
Frank sah besorgt zu Jess. „Du wirst sterben“, erklärte er. „Genau wie die anderen.“
Heftig schüttelte Jess den Kopf. „Nein.“
„O doch.“
Rob drehte den Stuhl mitsamt Frank herum, sodass Frank mit dem Gesicht zum Fernseher saß. Rob schaltete das TV-Gerät ein, wählte den Sportkanal und stellte die Lautstärke hoch. Es lief ein Baseballspiel, und die Stimme des Kommentators war beinah ohrenbetäubend laut. Falls Frank um Hilfe schreien sollte, würde man ihn kaum hören.
Jess war erleichtert. Sie hätte den armen Frank ungern auch noch geknebelt.
Rob packte grob ihren Arm. „Komm mit.“
Sie warf einen letzten Blick auf Frank. Kaum hatte Rob ihm den Rücken zugekehrt, riss er wie verrückt an seinen Fesseln. Sein Gesicht war angstverzerrt, die Augen waren weit aufgerissen, die Nasenflügel bebten. Seine Lippen formten ihren Namen, ehe Rob sie den Flur entlang zur Garage zerrte.
18. KAPITEL
In der Garage ließ Rob sich schwer gegen den Wagen sinken, ließ den Kopf hängen und schonte sofort sein verletztes Bein. Er schloss die Augen und fluchte leise vor sich hin, jetzt, da er sich den Schmerz anmerken lassen durfte.
Das Springmesser war verschwunden, vermutlich in seinem Ärmel. Als Jess sich ihm näherte, machte er die Augen wieder auf.
„Tut mir leid, dass ich so grob sein musste“, erklärte er. „Aber …“
„Ich weiß“, unterbrach sie ihn. „Wir sollten uns auf den Weg machen. Wenn es Frank gelingt, sich zu befreien …“
„Das schafft er nicht“, versicherte Rob ihr. „Nicht so, wie ich ihn gefesselt habe.“
Sein Gesicht war blass, kleine Schweißperlen standen ihm auf der Oberlippe und der Stirn. Er wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel ab.
Jess hätte ihn gern gefragt, wo er gelernt hatte, jemanden auf diese Weise zu fesseln. Und wieso kannst du dich derart rücksichtslos benehmen und jemanden so eiskalt gefangen nehmen? dachte sie.
Schweigend öffnete sie die Wagentür und half Rob auf den Rücksitz, wo sie ihn vorsichtig mit ihrer Stranddecke zudeckte.
Dann stieg sie ein, atmete einmal tief durch und drückte die Fernbedienung, mit der sich das Garagentor öffnen ließ.
Eine kurze Drehung des Zündschlüssels, und der Motor sprang an. Sie fuhr rückwärts aus der Garage und wendete in der Auffahrt. Während sie im Stillen betete, der FBI-Mann möge sie nicht aufhalten, bog sie in die Straße ein.
Fehlanzeige! Der FBI-Agent stieg aus seinem Wagen und gab ihr Zeichen, sie solle anhalten. Wenn er einen Blick auf die Rückbank warf und genauer hinschaute, würde er Rob ganz sicher entdecken …
Jess ließ rasch ihr Fenster herunter und lehnte sich etwas hinaus. „Ich hole meine Tochter von der Tagesmutter ab“, rief sie dem Mann zu.
Er winkte und ging wieder zurück zu seinem Wagen.
Dem Himmel sei Dank, dachte sie und gab sich Mühe, nicht zu schnell zu fahren, bis sie außerhalb der Sichtweite des Agenten war.
Fünfzehn Minuten lang fuhren sie schweigend durch die Stadt, wobei Jess regelmäßig abbog, um kleinere Straßen zu nehmen. Es waren nicht viele Autos unterwegs, obwohl es noch früh war. Die meisten blieben wohl wegen des bevorstehenden Unwetters zu Hause.
Der Wind blies nun deutlich stärker und rüttelte am Wagen. Jess musste gegensteuern, um nicht nach links abgedrängt zu werden.
So plötzlich die Böen auffrischten, so abrupt flauten sie wieder ab, sodass der Wagen einen Schlenker nach rechts machte. Mit unerwarteter Wucht knallten sie dabei in ein Schlagloch.
Unter der Decke auf dem Rücksitz hörte sie einen gedämpften Fluch.
„Alles klar da hinten?“, rief sie und sah in den Rückspiegel. Die Straße hinter ihnen war leer. Niemand folgte ihnen. „Hinter uns ist niemand, falls du dich aufsetzen möchtest.“
Rob schlug die Decke zurück. „Mir war nicht klar, wie unglaublich schlecht die Stoßdämpfer an diesem Wagen sind.“
„Dann setz dich besser hin.“
„Durchgerüttelt zu werden ist immer noch besser, als wenn mich jemand sieht.“
„Es ist doch weit und breit niemand.“
„Wozu das Risiko eingehen?“, konterte er.
Jess winkte ab. „Wenn das meine Einstellung wäre, säße ich jetzt
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