Riskante Versuchung
wahrscheinlich nicht mit dir in diesem Wagen.“
Rob schwieg einen Moment, dann sagte er: „Ich würde dir niemals wehtun.“
Völlig unerwartet stiegen ihr wieder die Tränen in die Augen. Sie kämpfte dagegen an. Du wirst nicht weinen, befahl sie sich streng. Du hast es bis hierher geschafft, dann hältst du auch noch weiter durch …
„Das habe ich auch nicht angenommen“, sagte sie und schaltete vor einer roten Ampel herunter. „Kannst du mir denn nicht sagen …“ Ihre Stimme brach, und sie hatte Mühe, sie wieder unter Kontrolle zu bekommen. „Wirst du mir wenigstens eine Frage über … Connor beantworten?“
Sie hörte ihn seufzen.
Jess konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme ein wenig bebte, als sie auf den Damm einbog, der nach Siesta Key führte. Bis zum Strandhaus waren es nur noch wenige Minuten. „Bitte verrat mir, womit du als Connor Garrison deinen Lebensunterhalt verdient hast.“
Die Antwort ließ ganze sechzig Sekunden auf sich warten. Als Rob endlich sprach, tat er es sehr leise, sodass Jess ihn kaum hören konnte. „Das ist nicht wichtig.“
„Was?“
Immerhin hob er nun die Stimme. „Es war unbedeutend. Ich habe in einem Büro gearbeitet, in der Postabteilung. Es war bedeutungslos. Mein Zimmergenosse Chris, der hatte einen wirklich guten Job. Der verdiente in einer Woche mehr als ich in einem Monat. Er war Lieferant und arbeitete für seinen Onkel, wie er mir erzählte. Ich stellte keine Fragen, was ziemlich dumm war, aber ich war jung, du meine Güte, gerade mal zwanzig Jahre alt. Dann, eines Abends, steckte Chris in der Klemme und brauchte mich, um ihm bei seinen Lieferfahrten zu helfen. Dabei fand ich heraus, dass sein Onkel Frank Chef einer kriminellen Vereinigung war. Chris lieferte Kokain aus, und ich half ihm dabei, die Drogen zu transportieren.“
Jess fühlte sich elend. Ein Drogensyndikat. Parker Elliot hatte recht gehabt. Rob - Connor - war wirklich kriminell.
Er sog scharf die Luft ein, als sie in die Auffahrt einbogen und der Wagen über eine Bodenwelle fuhr. „Damals habe ich jeden Cent gespart, den ich verdiente“, erzählte er weiter, während Jess vor dem Strandhaus hielt. „Ich hatte diesen Traum. Ich wollte reisen und Bücher über exotische Orte schreiben. Tja, das mit dem Reisen klappte, aber ich habe seit über acht Jahren kein Wort mehr geschrieben. Siehst du bitte noch einmal nach, ob wir verfolgt werden?“
Sie schaute in den Rückspiegel. Niemand war hinter ihnen. Jess stieg aus, ging ans Ende der Auffahrt und sah nach links und rechts die Straße entlang. Dabei versuchte sie, sich ganz natürlich zu geben. Es waren keine anderen Autos zu sehen, und die Büsche und Sträucher schützten sie vor den eventuellen Blicken neugieriger Nachbarn. Jess machte die Tür zum Strandhaus auf und sah zu Rob … Connor .
Sie half ihm beim Aussteigen aus dem Wagen. Wow, war er schwer. Er brachte es fertig, sich den verletzten Knöchel an der Wagentür zu stoßen. Einen Moment lang stand er da, auf einem Bein balancierend, vor Schmerz leicht schwankend.
Vom Meer her blies der Wind noch stärker, und eine heftige Bö zerrte an ihnen. Jess hatte Angst, die Bö könne Rob zu Boden werfen, deshalb legte sie den Arm um ihn.
Er hielt sich an ihr fest, und sie hörte seinen Herzschlag - trotz des tosenden Windes und der stärker werdenden Brandung.
Blitze zuckten über dem Golf, und Donner grollte.
Das Problem bei der ganzen Geschichte ist, dachte Jess, dass ich ihn liebe. Ob er nun Connor hieß oder Rob, braune Augen oder blaue hatte, das spielte überhaupt keine Rolle.
Sie liebte ihn.
Na schön, er hatte einen Fehler gemacht, als er zwanzig war - so alt war sie bei ihrer Hochzeit mit Ian gewesen. Und das war auch ein Fehler gewesen …
Sie konnte Connor seine Fehler verzeihen, hatte sie ihm schon verziehen.
Aber würde sie ihm auch fünfzehn brutale Morde an jungen Frauen vergeben?
Niemals.
Nur war er eben nicht der Mörder. Davon war sie mehr denn je überzeugt. Selma Haverstein irrte sich, genau wie Elliot.
Dieser Mann mochte vielleicht das Gesetz gebrochen haben, er mochte ein paar Fehler begangen haben, aber er war kein Mörder. Tief in ihrem Herzen hatte sie das die ganze Zeit über gewusst.
„Komm“, drängte sie ihn. „Ich helfe dir ins Haus.“
Die Lippen zusammengepresst, nickte er. Gemeinsam schafften sie es durch die Hintertür ins Haus.
Drinnen lehnte er sich an die Arbeitsfläche in der Küche und lockerte den Griff um Jess‘
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