Riskante Weihnachten
können uns hier verschanzen und ordentlich Krach machen. Irgendjemand wird schon nachsehen kommen. Hast du eine bessere Idee?«
Das war kein Plan, sondern Wahnsinn. Ihre Gegner brauchten nur auf Zeit spielen, um sie zu überwältigen, und die Wahrscheinlichkeit, dass die Schießerei irgendjemanden in der Umgegend interessierte, war verschwindend gering. »Ja. Wir nehmen uns die beiden vor, und du haust ab und besorgst Hilfe.«
»Vergiss es, als ob die auf meine Rückkehr warten würden. Ich würde dich nie wiederfinden. Ich lasse dich nicht zurück.«
»Hör auf, den Helden zu spielen, Joss. Nutz deine Chance und verschwinde. Und das ist kein Vorschlag, sondern ein Befehl. Es gibt keinen Grund, dass wir beide hier draufgehen.«
Joss packte ihn bei den Schultern. »Vergiss es, Andi. Es wäre mir neu, dass die Bundeswehr mir etwas zu befehlen hat. Willst du mir ernsthaft einreden, du würdest an meiner Stelle einfach abhauen und mich zurücklassen? Du wirst schon tun müssen, was ich sage, denn du bist nicht in der Verfassung, dich mit mir anzulegen.«
»Für dich reicht es noch«, knurrte Andi und stemmte sich hoch. Gegen die raue Wand gelehnt blieb er schwankend stehen. Gut, er zitterte vor Kälte oder wegen des Blutverlusts, aber noch war er nicht geschlagen. Joss’ besorgtem Blick ausweichend zog er das Messer aus dem Stiefel. Mit einer betont lässigen Geste warf er es Joss hin. »Hier, kümmere dich selbst darum.«
»Weil du auf den zwei Metern zu mir zusammenbrechen würdest? Du verdammter Dickkopf.«
Andi ignorierte die Provokation. »Wann tauchen die Kerle deiner Meinung nach wieder auf?«
»Vielleicht jeden Moment. Ich habe versucht, ihnen begreiflich zu machen, dass wir zumindest Decken brauchen.«
Joss hatte gerade noch Zeit, das Messer im Ärmel verschwinden zu lassen, dann wurde die Tür aufgestoßen. Überrascht blieben die Männer stehen, als sie sahen, dass Andi mehr oder weniger selbständig stand. Zwei dünne Decken landeten auf dem Boden, der Strahl einer Taschenlampe wurde auf Andi gerichtet, und erstmals erkannte er selbst das Ausmaß seiner Verletzung. Der Anblick war nicht dazu angetan, ihm Hoffnung zu geben.
Einer der beiden blieb direkt vor ihm stehen. Mit zusammengebissenen Zähnen starrte Andi auf den Boden und sammelte seine Kräfte. Er würde schnell sein müssen und bekäme nur eine Chance.
Die Afghanen redeten leise miteinander und schienen sich in irgendeinem Punkt nicht einigen zu können. Joss nutzte die Ablenkung, schnitt seine Fesseln durch und deutete unauffällig auf den Mann, der dichter bei ihm stand. Andi hielt sich nicht mit einer Bestätigung auf, sondern trat zu. In den Magen getroffen taumelte der Mann vor ihm zurück. Andi stieß sich von der Mauer ab und warf sich auf ihn. Ein Fausthieb gegen das Kinn reichte. Der Mann unter ihm zuckte und lag dann still. Gegen den Schwindel ankämpfend wälzte sich Andi von ihm herunter und griff nach dem AK-47. Neben Joss lag der zweite Mann bewusstlos am Boden.
»Solltest du das nicht besser mir überlassen?«
»Nur wenn du es nimmst und abhaust.«
»Keine Chance.«
»Dann nimm den Revolver von dem anderen. Solange ich die Augen offen halten kann, bin ich der bessere Schütze und werde keine Kugel verschwenden.« Rasch überprüfte Andi das Magazin und fluchte, weil es nur halb voll war. Das Schicksal hatte sich, so schien es, gegen ihn verschworen. Auf der anderen Seite lebte er noch. Vielleicht sollte er die nächsten Stunden abwarten, ehe er ein endgültiges Urteil fällte.
Eng an den Boden gepresst beobachtete er durch den Türspalt die Bewegungen auf dem Innenhof. »Du hast dir nicht zufällig etwas überlegt, womit wir die Tür absichern können?«
»Nein, sorry, so weit war ich noch nicht gekommen.«
»Dann zieh den Kopf ein.«
Auf seine Schüsse folgte ein dumpfer Aufschrei, und der Innenhof lag, soweit er ihn überblicken konnte, wieder menschenleer vor ihnen. Sehr schön, hoffentlich blieb das eine Weile so.
Die nächsten Minuten geschah nichts, niemand traute sich, den Hof zu betreten. Eigentlich wollte Andi erleichtert aufatmen, stattdessen begann er ohne Vorwarnung so stark zu zittern, dass er das Gewehr nicht mehr halten konnte. Plötzlich spürte er unter seiner Wange den kalten Boden.
»Joss? Ich …«
Keuchend rang er nach Luft, bekam aber kein Wort mehr heraus. Irgendetwas geschah dort draußen. Instinktiv rollte Andi sich mit letzter Kraft zur Seite.
Im nächsten Moment zerlegten
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