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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Troni
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musterte die Züge der jungen Sophie eingehend, die sehr ernst und in sich gekehrt wirkte. »Sie und ihr Bruder gehörten doch zu dieser Widerstandsgruppe im Zweiten Weltkrieg.«
    »Genau«, sagte Beate. »Hans hieß er, und die Vereinigung trug den Namen Weiße Rose. Nachdem die beiden Geschwister im Februar 1943 Flugblätter gegen den Faschismus vom Säulengang im ersten Stock in den Lichthof geworfen hatten, wurden sie angezeigt und innerhalb weniger Tage verurteilt und hingerichtet.«
    »Ich bewundere die beiden«, sagte ich, »keine Ahnung, ob ich den Mut gehabt hätte.«
    Völlig in Gedanken an die beiden versunken, trat ich hinter Beate durch die breite Glastür, und wir standen im Lichthof der Universität. Die hohe Halle und die breite, von zwei Statuen gesäumte Marmortreppe wirkten sehr erhaben auf mich, und als wir kurz darauf die Große Aula im ersten Stock betraten und mir der Sonnengott Helios entgegenstrahlte, war ich endgültig beeindruckt. Ich ließ den Blick durch den engbestuhlten Raum schweifen und betrachtete das Mosaik an der Stirnseite lange.
    Beate redete die ganze Zeit, und nachdem sie mir auch noch die Verwaltungsräume, die Unibibliothek, das Studentenwerk in der angrenzenden Leopoldstraße und den »Schweinchenbau« gezeigt hatte, war es mit meiner Aufnahmefähigkeit vorbei.
    »Pause bitte. Ich kann nicht mehr«, flehte ich und ließ mich auf eine der grünen Bänke fallen, die auf dem Bürgersteig standen. Mehrfach wäre ich fast unter die Räder gekommen, da ich aus Versehen auf den Radweg gelangt war, der unmittelbar neben dem Trottoir verlief.
    Die Radler in München waren alles andere als zögerlich und klingelten einen forsch aus dem Weg. »Wer bremst, hat schon verloren«, schien ihr Motto zu lauten, denn sie fuhren angesichts von Hindernissen – selbst lebenden wie mir – nicht unbedingt langsamer, sondern versuchten sich in waghalsigen Ausweichmanövern. Nicht ohne das Hindernis dabei lautstark und unwirsch zurechtzuweisen. Was sonst? Beschimpfungen schienen hier echt in Mode zu sein. Ich dachte an den jungen Mann mit dem verschütteten Kaffee zurück, der gestern am Bahnhof ebenfalls sehr unfreundliche Worte für mich gefunden hatte.
    »Okay«, erwiderte Beate amüsiert auf meine Bitte um eine Pause. »Das hier ist die Mensa. Willst du noch was essen?«, fragte sie und deutete auf das rosafarbene Gebäude, das nicht nur wegen des Anstrichs, sondern laut meiner Begleiterin auch wegen der eher zweifelhaften Qualität des Großküchenessens, das dem von Mastschweinen angeblich nicht unähnlich war, zu dem Tiernamen gekommen war.
    »Nein, danke«, sagte ich. »Aber vielleicht können wir noch einen Kaffee zusammen trinken?« Ich deutete auf eine der zahlreichen Kneipen, von denen wir umgeben waren.
    »Klar«, lautete die Antwort. »Danach müsstest du aber alleine nach Hause fahren, ich habe noch einen Nachhilfeschüler hier in Schwabing.«
    »Kein Problem«, meinte ich selbstsicher, obwohl ich mir alles andere als sicher war. Aber das hätte ich für kein Geld der Welt zugegeben.
    Eine Stunde später war ich heilfroh, als ich tatsächlich den kleinen Hügel mit den seltsamen Kleingärten hinab auf das Haus zulief, in dem ich zumindest die nächsten zweieinhalb Tage meines Lebens verbringen sollte. Ich ließ den Blick über die schönen, zum Großteil frisch renovierten Altbaufassaden wandern und sah mich nach allen Seiten um. In der Sonne leuchteten die spitzen Dächer, und die kleine Kuppel, die den durchgehenden runden Erker an der Stirnseite krönte, wirkte wie aus einer anderen Welt.
    Als ich an den Zeitungskästen vorbeikam, musste ich grinsen und hob neugierig einen der durchsichtigen Deckel. Tatsächlich, es lagen immer noch mehrere Ausgaben darin, obwohl seit heute Morgen gut sechs Stunden vergangen waren und die Leute jede Menge Zeit und Gelegenheit gehabt hätten, die Zeitungen einfach mitzunehmen. Offenbar hatte Beate mir doch die Wahrheit erzählt …
    Ich beobachtete, wie eine junge Frau allen Ernstes den Haufen ihres Hundes, der sein Geschäft auf einer kleinen Grünfläche erledigt hatte, mit einer umgestülpten Plastiktüte aufsammelte und in einem der bereitstehenden Mülleimer entsorgte. Ein seltsames Volk, diese Deutschen, dachte ich, rennen sogar mit kleinen schwarzen Tüten hinter ihren kackenden Hunden her.
    Im Treppenhaus roch es nach Reinigungsmittel, und ich wäre fast auf der Treppe ausgerutscht, so glatt war sie. Offensichtlich hatte jemand geputzt,

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