Risotto Mit Otto
Harras wechselten wir ins Untergeschoss und fuhren mit der U 6 weiter, die uns direkt bis zur Uni brachte.
»Du kannst auch einfach mit dem Fahrrad schnell zum Harras vorfahren oder laufen, ganz wie du magst«, erklärte mir Beate. »Irgendeiner von uns kann dir sicher ein Rad leihen.«
Ich war froh, dass wir nicht allzu oft umsteigen mussten, denn ich war absolut nicht großstadterprobt und hatte schon befürchtet, mich täglich dreimal zu verfahren.
Als wir an der Haltestelle »Universität« ins Freie traten, bekam ich vor Staunen den Mund nicht zu. Die ehemalige Prachtstraße war wirklich beeindruckend mit all den imposanten Gebäuden wie der Ludwigskirche und der Staatsbibliothek. Das Siegestor, das laut Beate der Architekt Friedrich von Gärtner im Jahr 1840 für den Bayernkönig Ludwig I. entworfen hatte, erinnerte mich sofort an den Konstantinsbogen in Rom.
Meine Begleiterin war erstaunt, als ich es anmerkte, und meinte nur: »Die meisten Leute denken immer gleich an den Arc de Triomphe in Paris, dabei sieht der ganz anders aus.«
»Alles wahre Kulturexperten«, entgegnete ich lachend. Viel mehr interessierte mich jedoch, ob dieser Ludwig I. der berühmte und verehrte »König der Herzen« war, der am Starnberger See ins Wasser gegangen war. Vale hatte mir damals ein wenig davon erzählt, und die tragische Geschichte hatte mich nachhaltig beeindruckt.
»Was du alles weißt«, sagte Beate verwundert, als ich sie danach fragte. »Der Kini, wie die Bayern ihn nennen, war Ludwig II. Er stammt aus dem Geschlecht der Wittelsbacher und hat unter anderem das berühmte Schloss Neuschwanstein erbaut.«
»Aha«, sagte ich, »und wo gehört der hin?«
»Er war der älteste Sohn von Kronprinz Maximilian und Kronprinzessin Friederike und der Enkel von Ludwig I. Verheiratet war er nie, aber verlobt, und zwar mit Sophie von Bayern, der Schwester Sissis, der weltberühmten Kaiserin von Österreich. Im Juni 1886 ist er entmündigt und einen Tag später bei Berg im Starnberger See tot aufgefunden worden. Angeblich soll er Selbstmord begangen haben, was bei einem einen Meter neunzig großen Mann und knietiefem Wasser allerdings keiner so recht glauben will. Die Umstände seines Todes sind trotzdem bis heute nicht geklärt. Wenn du magst, können wir mal einen Ausflug dorthin machen. Im Wasser steht ein Kreuz, mit dem die Todesstelle markiert ist.«
»Au ja, sehr gerne«, erwiderte ich begeistert und sah mich weiter staunend um.
Das hier waren schon andere Dimensionen als in Urbino, wo ich studierte. Nicht nur dass die Stadt in den Marken mit ihren gerade mal fünfzehntausend Einwohnern weit beschaulicher war als München, auch die università, an der nicht ganz viertausend Studenten eingeschrieben waren, war eine größere Schule gegen das hier. Beate klärte mich darüber auf, dass die LMU, wie die Ludwig-Maximilians-Universität bei allen hieß, mit gut fünfundvierzigtausend Studenten die zweitgrößte Uni in Deutschland sei.
Während wir an dem römischen Schalenbrunnen vorbeigingen, der aussah, als hätte man auf einen riesigen Champagnerkelch einen kleineren umgestülpten Kelch draufgesetzt, fütterte Beate mein Hirn mit Fakten und Zahlen. Auf dem gemauerten Rand des Brunnens saßen überall Studenten, die lasen, sich unterhielten oder die Spätsommersonne genossen, auf dem Gehweg standen unzählige Fahrräder, und es herrschte jede Menge Betrieb, obwohl Semesterferien waren. Hier zu studieren war sicher ein ganz besonderes Erlebnis, unter so vielen Gleichgesinnten, überlegte ich. Dass ich mich in der riesigen Uni, in der es deutlich unpersönlicher zuging, als ich es mir je hätte träumen lassen, mehr als einmal mutterseelenallein und verlassen fühlen und mich sehnlichst auf den überschaubaren Campus von Urbino zurückwünschen würde, konnte ich da noch nicht ahnen. Vielmehr gab ich mich völlig meiner Begeisterung hin und schwelgte in Gedanken an das tolle Münchner Studentenleben.
»Das hier ist das Mahnmal für die Geschwister Scholl«, erklärte Beate und riss mich aus meinen Betrachtungen. Sie deutete vor den beiden Stufen, die zum Säulengang des Gebäudes und damit zum Haupteingang führten, auf den Boden, wo ins Kopfsteinpflaster mehrere Kupferplatten eingearbeitet waren, die aussahen wie Zettel oder Seiten aus einem Buch.
»Ja, von Sophie Scholl habe ich schon mal gehört«, sagte ich und betrachtete die Platten genauer. Auf zweien davon waren die Köpfe der Geschwister abgebildet, und ich
Weitere Kostenlose Bücher