Risotto Mit Otto
herausnehmen konnte. »Die darf man echt einfach mitnehmen?«, fragte ich begeistert und entschied mich für eine Abendzeitung, weil mir die Aufmachung spontan am besten gefiel. Das ist wirklich mal nett von den Deutschen, dass sie einen derart wichtigen Beitrag zur Festigung meiner Sprachkenntnisse leisten, dachte ich.
Da nahm mir Beate die frisch erbeutete Zeitung mit Schwung aus der Hand. »Die muss man bezahlen«, erklärte sie mir und deutete auf den schmalen Schlitz unter dem durchsichtigen Plastikdeckel, den ich vor lauter Begeisterung glatt übersehen hatte.
»Oh!«
Erst jetzt fiel mir auch der freundlich formulierte Hinweis auf, man möge unter der Woche fünfzig und am Wochenende siebzig Cent für ein druckfrisches Exemplar begleichen. Die Verkaufsstrategie wollte sich mir allerdings nicht so ganz erschließen. Wieso sollte jemand Geld für etwas bezahlen, was er problemlos einfach umsonst mitnehmen konnte?
»Die Münchner sind eben ehrliche Leute«, beantwortete Beate meine nicht gestellte Frage, die sie mir offenbar vom Gesicht abgelesen hatte.
»In Italien wären innerhalb von fünf Minuten alle Zeitungen weg«, sagte ich nur und schüttelte den Kopf. »Woher weiß man überhaupt, dass jeder nur ein Exemplar rausnimmt?«
»Sicher gibt es auch Leute, die weniger oder sogar kein Geld einwerfen, aber wieso sollte man mehrere mitnehmen? Da steht doch überall dasselbe drin.« Sie sah mich skeptisch an.
»Na, ganz einfach, um sie weiterzuverkaufen.« Ich schüttelte den Kopf angesichts ihres unerschütterlichen Glaubens an das Gute im Menschen.
»Du hast vielleicht Ideen«, meinte Beate daraufhin nur und erklärte weiter: »Wenn die Kasse über einen längeren Zeitraum nicht stimmt, klebt der Betreiber der Kästen einfach eine Ermahnung von innen an den Deckel, und dann klappt es wieder.«
»Wie jetzt?« Ich konnte ihr nicht ganz folgen. »Der schreibt dann da drauf: Hallo liebe Zeitungsleser, bitte bezahlt doch den vollen Preis oder werft überhaupt mal wieder ’ne Münze ein, und dann machen die Leute das?« Angestrengt suchte ich in Beates Miene nach einem Anzeichen dafür, dass sie mir gerade eine Geschichte vom Pferd erzählte, aber es schien ihr ernst zu sein.
Tatsächlich kam just in dem Augenblick eine Frau in einem grauen Jogginganzug und Turnschuhen auf uns zu, hob den Deckel des tz -Kastens und steckte völlig selbstverständlich eine Münze in den Schlitz, ehe sie eine Zeitung entnahm.
Wie gebannt starrte ich ihr nach und murmelte nur: »Das gibt’s nicht«, ehe ich Beate hinterherrannte, die den kleinen Hügel Richtung S-Bahn-Haltestelle schon halb erklommen hatte.
Kaum saßen wir in der Bahn, die wir gerade noch erwischt hatten, schrieb ich Vale eine SMS, um ihr von den ach so ehrlichen Münchnern zu erzählen. Die Antwort kam prompt. » Germania tut dir nicht gut, du fängst an zu spinnen«, schrieb sie in ihrer direkten und unmissverständlichen Art zurück. Sie war mir echt unheimlich, immerhin hatte ich denselben Gedanken heute Morgen schon gehabt, als ich wegen Joe Kugel Selbstgespräche geführt hatte. »Und denk dran, immer schön Fahrkarten kaufen im ehrlichen Deutschland, da wird bei Schwarzfahrern nämlich kein Auge zugedrückt«, hatte meine beste Freundin noch hinzugefügt. Ich wusste sofort, worauf sie anspielte.
Vale hatte während ihrer Zeit in München das »Fahren ohne gültigen Fahrausweis« teuer bezahlen müssen. Sie wäre nämlich beinahe von einem U-Bahn-Kontrolleur unter Arrest gesetzt worden, weil sie eines Abends nach einem Stadtbummel nicht nur keine Fahrkarte, sondern auch keinen Pass dabeigehabt hatte und sich nicht ausweisen konnte. Ihre Gastfamilienmutter hatte meine Freundin dann, von der Tochter des Hauses alarmiert, im Büro der Münchner Verkehrsbetriebe ausgelöst. Vale hatte sogar noch im Nachhinein gezittert, als sie mir von dem Erlebnis erzählt hatte, bei dem der Kontrolleur sie einer Befragung unterzogen hatte, wie es seinerzeit wohl vor allem in der DDR üblich gewesen war.
Ich hatte bisher keinen Gedanken daran verschwendet, mir ein Ticket zu kaufen, weder gestern Morgen am Bahnhof noch heute. » Dio mio, Beate, wir müssen an der nächsten Haltestelle wieder aussteigen. Ich habe gar keine Fahrkarte.«
Sie grinste nur. »Das fällt dir aber früh ein. Keine Sorge, Isabelle hat mir ihre IsarCard für dich mitgegeben, sie braucht sie heute nicht. Gestern hast du einfach Glück gehabt, und jetzt raus hier, wir müssen umsteigen.«
Am
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