Risotto Mit Otto
Sekundenschnelle auf. »Wo ist er?«, rief ich, ließ die Flasche fallen, sprang auf und stürzte aus dem Raum auf seine Zimmertür zu.
Ich hatte nicht schlecht Lust, in die Küche zu stürmen und den sündhaft teuren Umkehrosmose-Wasseraufbereiter, den er sich erst letzte Woche angeschafft hatte, in seine Einzelteile zu zerlegen und vor seiner Zimmertür zu deponieren. Friedrich hatte einen halben Tag lang die Küche blockiert, um das Gerät anzuschließen, nicht ohne uns ausführlich über die Unterschiede zwischen Permeat, Konzentrat und Rohwasser sowie deren strikt zu beachtende Verwendungsmöglichkeiten aufzuklären. Doch die Aktion war mir jetzt zu kompliziert.
Wohlweislich hatte der Übeltäter sich eingeschlossen und gab keinen Mucks von sich, während ich wie von Sinnen gegen seine Tür trommelte und ihn erneut mit den schillerndsten Ausdrücken in meiner Muttersprache beschimpfte. Mein Repertoire war dank jahrelanger Übung mit den Zwillingen schier unerschöpflich.
Das rief Marcus wieder auf den Plan, der mit einem Sieb in der Hand aus der Küche angelaufen kam und meinte: »Also italienisches Temperament ist ja gut und schön, und hübsch seid ihr Südländerinnen auch fast alle, aber das hier erscheint mir dann doch ein bisschen übertrieben.«
»Wer hat dich um deine Meinung gebeten?«, fuhr ich nun ihn an, glücklich darüber, endlich einen Blitzableiter für meine unkanalisierte Wut gefunden zu haben.
»Komm schon«, versuchte Beate einzulenken, »wir essen jetzt erst mal die Nudeln. Danach sieht die Welt schon wieder anders aus.«
»Nudeln, welche Nudeln? Die verkochte Pampe kannst du in den Müll werfen. Und die Sauce gleich hinterherkippen . Porca mis… Ach, egal. Ich ziehe hier sowieso aus. Aber erst, wenn ich aus Friedrich Hackfleisch gemacht habe.« Wieder trommelte ich an seine Tür. »Mach endlich auf, du feiger Hund!«, schimpfte ich und ging dazu über, an der Klinke zu rütteln.
»Stell dich nicht so an wegen dem bisschen Öl«, ertönte es durch das weiß lackierte Holz. »Ich kauf dir eben bei Aldi ein neues.«
»Ha, dann gibst du es also zu!« Triumphierend blickte ich ins versammelte Publikum und wartete auf den Beifall – vergeblich. Ein gewisser Hang zum großen Auftritt war mir nicht abzusprechen, aber so sind wir Italienerinnen nun mal: impulsiv, emotional, laut, ungefiltert authentisch. Davon kann sich so manche deutsche Schlaftablette, die dreimal darüber nachdenkt, ob sie andere an ihrem Gefühlsleben, egal ob Freude oder Unheil, teilhaben lässt, eine Scheibe abschneiden. Egal, so leicht wollte ich Friedrich nicht davonkommen lassen. »Was hast du damit gemacht?«, fragte ich, und meine Stimme überschlug sich fast vor Empörung.
»Meine Fahrradkette geölt«, kam es durch die geschlossene Tür zurück. »Die Flasche in der Küche war leer, und die Läden hatten schon zu. Ich hätte sonst nicht losfahren können. Die Kette hat geklemmt.«
Diese bodenlose Ignoranz, die nur ein deutscher Mann an den Tag legen konnte, schlug nun wahrlich dem Fass den Boden aus. Dieser Typ hatte doch nicht alle Tassen im Schrank. Als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen, ging ich erneut in die Knie und fing an zu weinen wie ein Schlosshund. »Das gi-hi-hibt’s doch ni-hi-hicht«, heulte ich ohne Rücksicht auf Verluste, »meine no-ho-honna !«
Zehn Minuten später saßen wir zu sechst in der Küche, und ich hatte mich wieder einigermaßen in der Gewalt. Otto war inzwischen auch eingetroffen und über das Ausmaß der Katastrophe informiert. Mit tränenverschleiertem Blick sah ich den anderen dabei zu, wie sie einen Teller total verkochte Nudeln mit meiner leckeren Sauce o-h-n-e nonnas Öl aßen. Der Hunger war mir vergangen, was wahrlich nicht oft vorkam. Joe Kugel hatte sich zu uns gesellt und die Allgemeinheit laut maunzend darauf hingewiesen, dass er ebenfalls etwas zu essen vertragen könnte, woraufhin ihm Isabelle eine Extraportion gegen den Schreck verabreicht hatte. Friedrich hatte sich bisher nicht aus seinem Zimmer herausgetraut, und ich an seiner Stelle würde es noch eine ganze Weile dabei belassen.
»Hast du das vorhin etwa ernst gemeint, mit dem Ausziehen?«, fragte Isabelle und schob sich eine Gabel mit Tagliatelle in den Mund. »Hm, lecker!«
Ich verzog unwillkürlich das Gesicht. »Ehrlich gesagt ja. Nichts gegen euch beide«, ich sah die M&Ms entschuldigend an, »aber Friedrich könnte ich vierteilen, sobald ich ihn nur aus der Ferne sehe. Wenn
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