Risotto Mit Otto
ich mir vorstelle, dass ich noch über ein halbes Jahr mit ihm zusammenleben soll, dann bekomme ich augenblicklich Plaque. Und zwar die pathogene Form.«
»Jetzt übertreibst du aber«, wandte Beate mit vollem Mund ein.
Isabelle nickte. »Find ich auch. Schlaf mal eine Nacht darüber, dann kommt es dir bestimmt nicht mehr so schlimm vor.«
»Ich fänd’s sehr schade, wenn du das tatsächlich tun würdest«, meldete sich nun auch Otto zu Wort.
»Wir wohnen immerhin auch noch hier«, meinte Mike halb verschnupft. »Du dagegen tust geradeso, als wärst du Friedrich alleine ausgeliefert. Er ist zwar ein komischer Kauz, aber er hat auch seine guten Seiten. Natürlich ist das extrem blöd mit dem Öl von deiner Oma, aber die Welt geht davon nun wirklich nicht unter. Spätestens nächste Woche kommt doch sowieso wieder ein Carepaket von deiner Mutter an, dann soll sie dir eben eine Flasche davon mit reinstecken.« Er hob sein Weinglas und lächelte mich aufmunternd an. »Prost – und jetzt Schwamm drüber.«
Erst wollte ich erbost aufbrausen, weil er der Sache nicht das nötige Gewicht beimaß, aber dann griff ich ebenfalls nach meinem Glas und lächelte tapfer zurück. » Cincin . Danke, ihr zwei seid echt lieb.« Damit stürzte ich den Wein in einem Zug herunter und beschloss, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Für heute.
Fünf Tage später hatte ich mehrere Besichtigungstermine für Studentenbuden und WG-Zimmer ausgemacht. Sogar über die Option, doch noch bei Signor Colluti einzuziehen, dem ich ohnehin noch einen Besuch schuldig war, hatte ich noch mal nachgedacht, sie dann aber als den absoluten Worst Case verworfen. Lieber würde ich mir einen Schlafsack und eine Isomatte kaufen, obwohl ich grundsätzlich eher Fünfsternehotels mit anständigem Room Service favorisiere, und in der Bahnhofsmission Unterschlupf suchen.
Als Tochter meiner Mutter, die über wahrlich explosives Temperament verfügt, neige ich nicht nur zu spontanen Wut- und Tränenausbrüchen, sondern auch dazu, einmal gefasste Entschlüsse nicht allzu lange zu überdenken. Im Affekt getroffene Entscheidungen haben nun mal einen wahren Kern, der sich nicht aus der Welt reden lässt, sosehr man das manchmal vielleicht möchte.
Daher hatte ich meinen Worten nach einer schlaflosen Nacht Taten folgen lassen und mich nach Alternativen umgesehen. Auf einen Wohnheimplatz durfte ich gar nicht erst hoffen, zumal ich wegen meines inzwischen überschaubar kurzen Aufenthalts bloß das Zimmer von jemandem hätte übernehmen können, der gerade nicht in München war. Also blieben nur die Privatzimmervermittlung des Studentenwerks in der Leopoldstraße oder der freie Wohnungsmarkt. Über die Zeitung etwas zu finden, war jedoch utopisch, und einem von diesen windigen Immobilienmaklern, die den privaten Wohnungsmarkt fester im Griff hatten als die Mafia ihre Gläubiger, fürs Nichtstun Geld in den Rachen zu werfen, sah ich auch nicht ein. Babbo schon wieder um Geld anzuhauen, kam definitiv nicht in Frage, zumal ich sowieso ein unglaublich schlechtes Gewissen hatte wegen des Geldes, das er Signor Colluti völlig umsonst zahlte und das ich mir endlich wiederholen musste.
Ich fand es ganz schön anstrengend, mich um all die Dinge selbst kümmern zu müssen, aber es erfüllte mich auch mit einem gewissen Stolz. Seit meiner Ankunft in Deutschland hatte ich einiges gelernt und war viel selbstbewusster und offener geworden. Ich telefonierte längst nicht mehr so häufig mit meinen Eltern wie zu meiner Anfangszeit in München, und auch mit Vale tauschte ich mich nur noch aus, wenn etwas wirklich Dramatisches geschehen war. Sie wusste natürlich Bescheid über meine Umzugspläne, über die ich mamma und babbo selbstverständlich im Unklaren gelassen hatte.
Leider verliefen meine Anstrengungen im Hinblick auf eine neue Unterkunft nicht so erfreulich wie erhofft. Zwei der Unterkünfte lagen direkt am Mittleren Ring – für eine Frischluftfanatikerin wie mich absolut undiskutabel, ein Vermieter hatte es sich in letzter Minute anders überlegt und wollte nun doch keine Ausländerin in seinem Eigentum dulden, und bei zwei Terminen hatte ich die deutsche Pünktlichkeit unterschätzt. Als ich eintraf, waren die Zimmer schon vergeben. Blieb noch die WG in Neuhausen: zwei junge Frauen in meinem Alter, eine Krankenschwester in der Klinik gleich am Rotkreuzplatz, die andere Steuerfachgehilfin, ein Zimmer von dreizehn Quadratmetern mit Fenster zum Hof, ein kleiner Balkon,
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