Risotto Mit Otto
gemeinsames Bad und Küche. Das klang erst mal gut. Diesmal war ich offenbar die Erste, als ich fünf Minuten früher als vereinbart gegen vier Uhr nachmittags eintraf. Außer mir war noch niemand da, und ich drückte erleichtert auf den Klingelknopf. Das war doch sicher ein gutes Zeichen, hoffte ich in meinem grenzenlosen Optimismus.
Doch der sollte mir schneller vergehen, als mir lieb war. In der recht geräumigen Diele, in der sich außer einer sehr ordentlichen Garderobe nur ein kleiner silbergrauer Schuhschrank befand, standen drei Stühle – zwei nebeneinander und einer gegenüber. Mit je einem Klemmbrett bewaffnet, boten die beiden Frauen mir nach einer knappen Begrüßung den einzelnen Stuhl an, setzten sich ebenfalls hin und begannen mit der Fragestunde. Meine Bitte, mir doch zuerst die Wohnung zu zeigen, schmetterten sie mit dem Gegenargument ab, dass sie sich dies für jene Kandidaten vorbehalten wollten, die es in den »Recall« schafften. Schließlich wollten sie nicht jeden durch ihre Zimmer führen, dafür hätte ich doch sicher Verständnis.
Sicher!
»Wie oft duschst du?«, fragte die Krankenschwester mit kritischem Blick auf das Vogelnest auf meinem Kopf.
Ich fuhr mir nervös durch die Haare und versuchte sie zurechtzuzupfen. »Einmal pro Tag?« Da ich mir nicht sicher war, ob dies einem mittelschweren Verbrechen gleichkam, ließ ich den Satz lieber mal wie eine Frage klingen.
Die Antwort verschaffte mir auf jeden Fall einen Strich auf der Liste meiner Inquisitorinnen, ob auf der Positiv- oder der Negativseite, konnte ich von meinem Platz aus nicht sehen.
»Wie lange brauchst du morgens im Bad?«
»Na ja«, erwiderte ich, »für eine Italienerin bin ich mit eineinhalb Stunden ziemlich schnell.«
Wieder ein Strich, diesmal auf der anderen Seite.
»Rauchst du?«
»Nein.«
»Wir schon.« Noch ein Strich.
»Bist du Vegetarierin?« – »Kaufst du Bioprodukte?« – »Benutzt du Zahnseide?« – »Rasierst du dir die Beine?« – »Hast du einen Freund?« – »Wann gehst du abends ins Bett?« – »Hast du irgendwelche Allergien?«
Ich fand, die Fragen wurden immer unverschämter. He, Leute, empörte ich mich im Stillen über die vielen Intimitäten, die ich offenbaren sollte. Ich will schließlich nicht etwa die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen oder mich um einen Posten im Innenministerium bewerben, sondern bloß für sechs Monate ein Zimmer mieten.
Am Ende sagten sie zu mir: »Du erfährst dann per Mail, ob du es in die Endrunde geschafft hast. Schickst du bitte gleich den nächsten Kandidaten rein? Laut unserer Liste heißt er Lars und studiert auf Lehramt. Danke, mach’s gut.«
»Ciao.« Endrunde? War ich hier bei Deutschland sucht den Superdeppen, oder was?
Als ich nach draußen stürmte, weil ich das Gefühl hatte, hier drin vor lauter unangenehmen Fragen keine Luft mehr zu bekommen, stand tatsächlich ein Typ mit langen braunen Haaren und Lederjacke vor mir.
»Lars?«, fragte ich nur.
Er nickte verwundert.
»Viel Erfolg bei den Erinnyen«, sagte ich nur und wusste, dass ich diese Wohnungstür garantiert nicht noch mal von innen sehen würde.
Auf dem Weg zurück zur U-Bahn-Haltestelle versuchte ich mir einzureden, dass Friedrich doch nicht so übel war. Vielleicht sollte ich ihm die Sache mit dem Öl großmütig verzeihen? Wenn ich ehrlich war, fände ich es sehr schade, aus der WG auszuziehen, denn eigentlich fühlte ich mich bei den M&Ms sehr wohl, ebenso bei Beate und Isabelle – und bei Otto.
Während ich so über meine Lage nachdachte, kam ich an einer Bäckerei vorbei. Im Gehen warf ich einen Blick in das Schaufenster, und obwohl ich nur aus dem Augenwinkel wahrnahm, was da so verführerisch gestapelt war, reagierte mein Körper binnen Sekunden. Sofort lief mir das Wasser im Mund zusammen, und wie auf Kommando fing mein Magen an zu knurren, als ich die vielen Köstlichkeiten betrachtete.
Eins muss man den Deutschen echt lassen: Was Wurst- und Backwaren angeht, kann ihnen so schnell keiner was vormachen. Derart viele verschiedene Brotsorten gibt es in keinem anderen Land der Welt, von den süßen Sachen und Kuchen ganz zu schweigen. So viel Sport kann ein Mensch gar nicht machen, sagte ich mir, um das alles wieder abzutrainieren. Ein Volk von Masochisten ist das hier! Oder sollen damit etwa die sprichwörtliche deutsche Disziplin und Selbstbeherrschung auf eine Art Dauerprobe gestellt werden?
Sosehr ich mich auch innerlich wehrte, mein schwer
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