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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Troni
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gut.« Ich beschloss, mich auf keine weitere Diskussion einzulassen, und versuchte ihn stattdessen zu ködern. »Komm schon«, lockte ich, während ich mich über den Topf beugte, um an der Soße zu riechen, »ich spendiere auch einen Schuss von meinem leckeren Öl, das ist mindestens so kostbar wie euer Strom.«
    Jeder in der WG wusste, dass ich das handgepresste Olivenöl meiner nonna nur in mikroskopisch kleinen Mengen benutzte. Ich hatte die Flasche absichtlich nicht in der Küche deponiert, damit nicht jeder sich daran bediente, sondern in meinem Zimmer gelagert. Im Dunkeln, wie es sich gehört, stand sie unten in meinem Kleiderschrank und wurde nur zu besonderen Gelegenheiten hervorgeholt. Schließlich sollte das kostbare Öl ein ganzes Jahr lang halten.
    Als ich mich umdrehte, war Friedrich einfach verschwunden, woran ich mich jedoch nicht weiter störte, denn in einer Viertelstunde würden die anderen aufkreuzen, und nach wie vor war noch nicht mal der Tisch gedeckt. Also verteilte ich im Schnelldurchlauf Teller, Gläser und Besteck auf der Tafel, die ich mit Efeuranken geschmückt hatte, warf die Tagliatelle in das sprudelnde Wasser und ging in mein Zimmer, um das Öl zu holen. Wenn man es kurz vor dem Servieren über die Nudeln gab, schmeckten sie noch mal so lecker.
    Mit Schwung machte ich die Schranktür auf, streckte die rechte Hand aus – und erstarrte in der Bewegung. Die Flasche mit dem Öl. Sie war da. An ihrem angestammten Platz. Aber sie war leer.
    »Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhh!«
    Mein Urschrei trommelte im Nu sämtliche WG-Bewohner sowie Beate und Isabelle zusammen, die gerade eingetroffen waren. Sie kamen alle in mein Zimmer gestürzt – bis auf Joe Kugel, der sich, ganz kluges Tier, das er war, angesichts der drohenden Gefahr in den letzten Winkel verzog.
    Ich kniete unterdessen, einem kompletten körperlichen und seelischen Zusammenbruch nahe, vor meinem Kleiderschrank und rang mit den Tränen.
    »Angela!«, rief Isa.
    »Was ist?« Mike klang besorgt.
    »Hast du dir weh getan?, fragte Beate.
    »Blutest du?«, wollte Marcus wissen.
    Einzig Friedrich sagte nichts und stand wie erstarrt da. Durch den Schleier meiner Tränen hindurch bildete ich mir ein, einen schuldbewussten Zug um seine Mundwinkel wahrgenommen zu haben, und ließ einen erneuten Schrei los, bei dem alle zusammenfuhren. Vermutlich auch der dicke Kater in seinem Versteck.
    »Duuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu«, brüllte ich. »Das kannst nur du gewesen sein!« Mein ausgestreckter Zeigefinger, Ausdruck meiner Anklage, wies auf seine Brust.
    Mein Mitbewohner zuckte nur lässig die Achseln und sagte: »Worum geht’s?«
    »Das weißt du genau!«, keifte ich und hielt die leere Ölflasche theatralisch in die Höhe.
    »Mein Gott, die Nudeln.« Beate sprintete in die Küche, um zu retten, was vermutlich nicht mehr zu retten war.
    »Du Schuft, canaglia, pezzo di merda, testa di c… « Einmal in Fahrt, war ich nicht mehr zu bremsen und gab eine Tirade an italienischen Schimpfwörtern von mir, die sich gewaschen hatte. Dabei saß ich noch immer vor dem Schrank auf dem Boden, die Glasflasche demonstrativ in die Luft gestreckt, wehklagend wie Elektra, als sie vom Tod Agamemnons erfuhr.
    »Ich versteh hier nur Bahnhof«, meinte Marcus. »Was ist mit der Flasche? Hast du dich geschnitten?« Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass keine Erste Hilfe zu leisten war, hielt er seine Anwesenheit am Ort des Dramas offenbar nicht für dringend erforderlich und verzog sich kopfschüttelnd in die Küche, um Beate zu assistieren.
    »Oje, Omas Öl.« Mike dagegen schien das Ausmaß meiner Verzweiflung zwar immerhin erfasst zu haben, rührte sich aber nicht vom Fleck.
    Einzig Isabelle sah mich mitfühlend an, kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. Deutsche Männer waren also ähnlich unsensibel wie die italienischen, was weiblichen Schmerz anging – egal ob sie schwul waren oder hetero. Unter Frauen hingegen herrschten zum Glück auch hierzulande noch so etwas wie Solidarität, Mitgefühl und Anteilnahme.
    Ich warf mich ihr in die Arme und schluchzte hemmungslos. Dabei ging es nicht allein um das Öl, sondern um die Tatsache, wie rücksichtslos in diesem Land mit dem Eigentum anderer umgegangen wurde. Ich fühlte mich nicht geachtet, nicht respektiert, nicht …
    In meinem Schmerz bekam ich erst gar nicht mit, dass Friedrich sich auf leisen Sohlen ebenfalls aus dem Staub gemacht hatte, aber als ich es merkte, sprang ich wie in

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