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Risotto Mit Otto

Titel: Risotto Mit Otto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Troni
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startete hartnäckig einen zweiten Versuch, diesmal in Zeichensprache. Mit dem Zeigefinger deutete ich zuerst auf den Stapel mit den Hörnchen und hielt ihn dann in die Höhe, um wie in meiner Heimat üblich eine Eins zu symbolisieren.
    Diese Zählweise schien in Deutschland nicht verbreitet zu sein, denn die Verkäuferin zeigte zwar nun ihrerseits mit der Gebäckzange auf die leckeren cornetti, fragte jedoch unwirsch: »Wie viele?«
    »Einen«, erwiderte ich mit Unschuldsmiene, in der Hoffnung, den Kaufvorgang damit abschließen zu können.
    »Wenn’s drei nehma, san’s im Angebot.«
    Gänzlich überfordert ob dieser großzügigen Offerte, was auch immer sie beinhalten mochte, schüttelte ich vorsichtshalber den Kopf und zückte mein Portemonnaie, um zu demonstrieren, dass ich den Einkauf nun zu beenden gedachte. Hätte ich auch nur im Entferntesten geahnt, was mich hier drin erwartete, ich hätte meinen knurrenden Magen ohne jedes Zögern ignoriert und wäre einfach weitergelaufen. Dieses Theater waren mir die Rettungsringe auf meinen Hüften ganz bestimmt nicht wert. Doch zu spät, nun hing ich in der Sache drin. Eine Sache, die leider noch nicht beendet war.
    »Ois?«, lautete nämlich die nächste Frage der Bäckereifachverkäuferin, die den cornetto auf ihre Theke gelegt hatte und bisher keine Anstalten machte, ihn in eine Tüte zu packen.
    »Wie bitte?«, fragte ich höflich. Hatte sie nicht eben noch behauptet, es gebe hier kein Eis? Nur um mir jetzt eines anzubieten? War ich etwa im Fernsehen gelandet? In einer von diesen Pannenshows? Oder gab’s so was in Deutschland nicht? Ich sah mich unsicher um, konnte jedoch nichts Verdächtiges entdecken.
    Auch diesmal war die Antwort zwar nicht deutlicher, dafür aber deutlich lauter: »Ois?«
    Wieso gingen diese Bayern bloß immerzu davon aus, dass man schwerhörig war, wenn man sie nicht verstand? Kamen die denn nicht auf die Idee, dass es an ihrer Aussprache liegen könnte? Offensichtlich hatte man den Angehörigen dieses Volkes bei der Geburt eine Extraportion Selbstbewusstsein in die Wiege gepackt, und sie kamen gar nicht auf die Idee, dass es an ihnen liegen könnte. Egal. Da ich vermutete, dass sie mir gerade ein weiteres tolles Angebot gemacht hatte, das ich nicht wahrnehmen wollte, schüttelte ich beherzt den Kopf und sagte: »Nein.«
    Mein Gegenüber hob sichtlich genervt die Augenbrauen und sagte: »Was derfs denn no sei fer Eana?«
    Wer um Himmels willen war diese Erna? Meine Verzweiflung wuchs. Die Panik in mir auch. Dieser rüde Ton machte mir schwer zu schaffen, immerhin war ich es gewohnt, als Kundin zuvorkommend und höflich behandelt zu werden. Aber was sollte ich schon von einem Volk erwarten, das allen Ernstes von sich behauptete, Fragen wie »Spinnst du?« seien nichts weiter als ein Ausdruck gegenseitiger Zuneigung. Ich kapitulierte.
    »Okay, eins zu null für dich, ich esse nichts«, murmelte ich meinem schlechten Gewissen zu und stürmte ohne eine Reaktion auf die Frage, die mein Sprachzentrum nachhaltig irritiert hatte, unter dem erstaunten Blick der Verkäuferin aus dem Laden.
    Um der Sache noch etwas Positives abzugewinnen, betrachtete ich das Erlebnis vor allem unter dem schlankmachenden Nebeneffekt und fuhr zurück nach Mittersendling.
    Als ich in der WG meine Entscheidung verkündete, freuten sich alle ehrlich, dass ich bleiben wollte. Sogar Friedrich kam am Abend noch in mein Zimmer, um sich mit einem Blumenstrauß bei mir zu entschuldigen. Ich wusste genau, dass die M&Ms ihn dazu verdonnert hatten, denn der Strauß stammte eindeutig aus ihrem Laden, aber Blumen waren Blumen, und die beiden hatten einfach Geschmack.
    Mir soll’s recht sein, dachte ich nur und ging ins Bad, um es ein bisschen zu verwüsten.

9.
    »C’è chi dice no«
    In der zweiten Februarwoche machte ich mich endlich auf den Weg zu Signor Colluti, wenn auch mit einem unguten Gefühl im Magen. Sein Verhalten und die Tatsache, dass er in all den Monaten nie meine Eltern informiert hatte, waren schon mehr als merkwürdig. Als ich ihn angerufen hatte, um meinen Besuch anzukündigen, war er wie immer sehr freundlich gewesen, aber das war auch kein Wunder, angesichts der Hunderte von Euro, die er monatlich an mir verdiente. Für nichts!
    Je länger ich über Ottos Worte nachdachte, die ich ja am liebsten gar nicht hatte hören wollen, desto wütender wurde ich auf diesen angeblich ach so seriösen italienischen Herrn, in dessen Obhut mich babbo vertrauensselig gegeben

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