Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)
weiter so bleibt. Du mußt also auf die Schweigepflicht vereidigt werden, bevor du auch nur irgendwelche Papiere in die Finger bekommst.
Wir gehen davon aus, daß du damit einverstanden bist.
– Ja, selbstverständlich.
– Der erste Leiter war also Hultling, der jetzt andere Aufgaben im Verband der Provinziallandtage übernimmt. Das Personal umfaßt zur Zeit inklusive Schreibkräfte und Forschungsassistenten sechshundertvierundsiebzig.
– Wie bitte?
– Sechshundertvierundsiebzig.
– Das ist nicht gerade wenig!
Der Vorsitzende schien meinen Kommentar überhaupt nicht komisch zu finden. Ich hatte das eigenartige Gefühl, daß irgendwas faul sei, oder zumindest, daß mir irgendwas allmählich über den Kopf zu wachsen beginne.
– Den verschiedenen Expertengruppen sind teils in der FOA und teils im Reichsmuseum Arbeitsräume zur Verfügung gestellt worden. Klas Johansson führt in seinem Institut eine Reihe von biologischen Untersuchungen durch.
Die Leitung hat ihren Sitz in Stocksund, wo sie unter dem Decknamen Umweltschutz AG einquartiert ist. Die Kontakte zwischen der Kommission und den verschiedenen Behörden laufen über die Poststelle des Innenministeriums. Es gehört also zu den Geheimhaltungsvorschriften, daß der Vorstand keine Briefe direkt mit normaler Post schicken darf. Es wäre gut, wenn du das in diesen ersten Tagen im Gedächtnis behieltest, bis du mit der Arbeitsweise vertraut bist.
Löwenstråhle ist bisher für die Sicherheit in der KBU verantwortlich gewesen, und er kann dich in alle diesbezüglichen Dinge einführen. In aller Freundschaft möchte ich dir den Rat geben, dich zuerst einmal sehr in acht zu nehmen. Man verplappert sich unglaublich leicht, wenn man keine Erfahrungen mit den Sicherheitsmaßnahmen hat.
– Ich verstehe.
– Unter Hultling hat sich die KBU hauptsächlich mit vier Problemkreisen beschäftigt. Mit Katastrophen auf dem Gebiet der Kernkraft, wo sie übrigens sehr gut mit der Gesamtwirtschaft und der FOA zusammengearbeitet hat, auf chemischem Gebiet, das noch nicht ganz soweit gediehen ist, auf biologischem Gebiet, wo Professor Johansson die treibende Kraft war, und schließlich auf psychologischem Gebiet, wo Laborant Heinz Wittfogel von der FOA die Arbeit geleitet hat.
Ich klammerte mich sehr vorsichtig, aber sehr fest an die Tischplatte. Einen Moment lang spürte ich eine sonderbare Panik, ungefähr so, wie man in einer Warteschlange an der Bushaltestelle spürt, daß man gleich umkippen wird, weil man viel zu lange stillgestanden hat.
Ich muß etwas merkwürdig ausgesehen haben.
– Entschuldigung, sagte ich, aber das habe ich nicht ganz mitbekommen, wie war der Name.
– Laborant Heinz Wittfogel von der FOA.
– Und womit beschäftigt sich diese psychologische Arbeitsgruppe?
– Kann einer der Herren uns darüber informieren?
– Ja, wie schade, daß er nicht hier ist, er besucht wohl in dieser Woche einen Kongreß in Bielefeld, sagte Professor Johansson. Ich glaube, er ist vor allem auf Panikreaktionen in verschiedenen Katastrophensituationen spezialisiert. Gibt es von ihm nicht sogar eine Studie über das Flächenbombardement von Dresden im Februar 1945 und die Reaktionen der Zivilbevölkerung, oder etwas Ähnliches?
– Doch, das sind genau die Probleme, mit denen er sich beschäftigt, sagte Löwenstråhle. Panik, Massenflucht, Reaktionen bei Massenevakuierungen von Städten und ähnliches.
Das ist natürlich alles sehr theoretisch, aber auch eine solche Planung gehört zu unserem Arbeitsbereich.
– Verzeihung, wie schreibt er sich genau?
– Heinz Wittfogel, W-I-T-T-F-O-G-E-L.
Die Elche im Moor
An einem der ersten Tage, sobald ich die Zeit dazu fand, fuhr ich zum Naturhistorischen Reichsmuseum hinaus. Ich bin nicht mehr dagewesen, seit ich ein kleiner Junge war. Mein Vater, der immer nett zu mir gewesen ist, hat mich ganz einfach einmal für ein paar Tage nach Stockholm mitgenommen, es war Anfang Juni in dem Jahr, in dem ich die zweite Klasse der Realschule abschloß, das muß 1949 gewesen sein.
Wir wohnten bei einem Verwandten, es muß Onkel Stig gewesen sein, denn ich weiß noch, daß wir abends in der Küche inmitten seiner unbeschreiblichen Erfindungen saßen und diskutierten. Seine Küche da draußen in Midsommarkransen hatte er in eine richtige Werkstatt verwandelt; eins seiner Projekte war die Verbesserung des Fahrrads. Ich glaube nicht, daß er an seinen Erfindungen besonders viel verdient hat.
Wir liefen in dieser
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