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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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herrlichen Frühsommerwoche tagelang in der Stadt herum und besichtigten Museen. Das Reichsmuseum war vielleicht das beste von allen: Ich erinnere mich an zwei riesige Elefanten am Eingang, einen starken Geruch nach Staub und Formalin, ausgestopfte Vögel zu Hunderttausenden und die Riesenseerose Victoria Regia, die gerade in dieser Woche im Gewächshaus des botanischen Gartens aufblühte. Das größte Blütenblatt in der ganzen Natur, wie ein Boot auf dem Wasserspiegel des Gewächshausteichs schwimmend, mit aufgerollten Rändern. Die Farbe der Blume habe ich vergessen.
    Übrigens aßen wir da draußen in einer außerordentlich unappetitlichen Gaststätte irgendwas, von dem mir dann die ganze Nacht über schlecht war. Es muß irgendein Fleischragout gewesen sein; die Restaurants hatten sich noch immer nicht ganz vom Krieg erholt. Dieses Gefühl des Ekels verschmolz in meiner Erinnerung mit den Erinnerungen an das Reichsmuseum, an embryonale Säugetiere mit langen, wolkenartigen Nabelschnüren in unterschiedlichen Entwicklungsstadien, in riesigen, flachen Formalinflaschen konserviert, an ungeheure Schränke voller Fächer, in denen Schmetterlinge aufgespießt waren, und an das Rotationsmikroskop, einen Apparat, in dem man Schmetterlingsflügel und Insektenkiefer in enormer Vergrößerung sehen konnte, wenn man eine Kurbel drehte.
    In dem Museum, wie ich es in Erinnerung hatte, wimmelte es von Schulklassen, die lärmend die Treppen hinauf- und hinunterrannten, und an diesem Februartag waren tatsächlich auch ein paar Klassen da. Die Elefanten standen noch da, genau wie in meiner Erinnerung. Der eigenartige, etwas ekelerregende Geruch muß mit den Jahren ein bißchen schwächer geworden sein, aber es gab ihn noch, und er bewirkte, daß ich mich wie ein kleiner Junge fühlte.
    Ich ging zu der Frau an der Kasse und fragte sie, wo ich Professor Johansson finden könne.
    – Möchten Sie eine Eintrittskarte, sagte die Frau, völlig unfähig, sich auf diese Situation einzustellen.
    – Nein, ich möchte Professor Johansson sprechen.
    – Wollen Sie nun eine Eintrittskarte oder nicht, zischte die Dame.
    – Ich bin Generaldirektor Troäng, ich komme zu einer Besprechung mit Professor Klas Johansson. Seien Sie so freundlich, mir zu sagen, wo ich ihn finde.
    – Wollen Sie nun eine oder wollen Sie keine, hinter Ihnen warten schon Leute.
    – Ich möchte, daß Sie Professor Klas Johansson anrufen und dafür sorgen, daß er jemand herschickt, der mir den Weg zu seinem Büro zeigen kann.
    Die Dame wechselte jetzt ihre Taktik. Sie übersah mich einfach. Die nächste Patientin in der Warteschlange hinter mir, eine Mutter mit drei kleinen Kindern, drückte mich fast am Metallgeländer platt, als sie sich vorbeidrängelte, um Eintrittskarten zu kaufen. Mit einer Anzahl von Knurrlauten und spitzen kleinen Flüchen, die zwischen den Zähnen steckenblieben, zog ich mich aus der Schlange zurück.
    Im Museum wimmelte es von Wärtern, aber sie befanden sich alle jenseits des Kassenschalters.
    Ich ging die Treppe hinunter. Es fiel nasser Schnee. Der Verkehr brummte draußen auf der Landstraße vorbei. Keine Telefonzelle weit und breit. Ich setzte mich ins Auto und überlegte. Ich lief einmal ums Museum herum. Nichts kann mich so verdammt hilflos machen wie Pförtner. Entweder gehorche ich ihnen blind, wie ein Kind, oder ich brülle sie an. Und vor Damen hinter Kassenschaltern habe ich eine Heidenangst.
    Ich stieg wieder aus dem Auto, umkreiste das Gebäude, das riesig ist, ohne einen Eingang finden zu können, bekam nasse Füße und hinterließ eine einsame Spur auf dem Weg, der rasch immer mehr zuschneite. Die Luft war voll von nassen, filzigen Flocken, und meine Brille war schon bald total beschlagen.
    Auf halbem Weg zum Wennergren Center fand ich einen Tabakladen und rief Professor Johansson an. Nach einem Augenblick hatte ich ihn an der Strippe.
    – Hallo, sagte er, kommst du?
    – Wenn ich nur in dein verdammtes Museum reinkäme, sagte ich.
    – Wieso denn nicht?
    – Der einzige Mensch, den ich finden kann, ist ein Weibsbild am Kassenschalter, und sie weigert sich, dich anzurufen.
    – Wo bist du jetzt?
    – Schon halbwegs am Odenplan, sagte ich. Ich mußte mich auf die Suche nach einem Telefon machen.
    – Du hättest mit dem Pförtner sprechen sollen.
    – Herrgott noch mal, da sitzt doch das Weibsbild und hindert einen dran, mit dem Pförtner in Verbindung zu kommen. Jetzt sei bitte so gut, komm in die Eingangshalle herunter und

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